Russland: Geschichte eines Landes voller Widersprüche
Frankfurter Rundschau
Nach 74 Jahren Sowjetunion befindet sich Russland im Wandel und sucht seine Stellung in der internationalen Ordnung. Ein Überblick.
Moskau – Das flächenmäßig größte Land der Welt ist zeitgleich auch eines der am dünnsten besiedelten. Es umspannt dabei zwei Kontinente auf einer Gesamtlänge von 9000 Kilometern. Von Kaliningrad nach Beringowski: vom verstädterten europäischen Teil des Landes bis zum östlichsten Punkt, der Beringstraße, die Russland nur 82 Kilometer von Alaska trennt. Russland bildet somit geographisch die Brücke zwischen Europa und den USA.
Bereits im 9. Jahrhundert durchzogen zahlreiche Handelsrouten die Strecke zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Schon bald einte das Geschlecht der Rurikiden und des namensgebenden Stammes Rus das mittelalterliche Großreich und begründete somit die erste Zarendynastie. Mit dem Ausbau der Kontrolle über den gesamten Handelsweg zwischen West und Ost ging die fortschreitende Christianisierung des Landes einher. Der christlich-orthodoxe Glaube in Russland wanderte von Byzanz (später Konstantinopel, heute Istanbul) ausgehend durch das ganze Land und separierte es vom lateinisch-christlichen Glauben der europäischen Nachbarstaaten.
Durch die Mongolenstürme in den Jahren 1223, 1237/1238 und 1239/1240 wurde die Verbindung zum Westen vorerst unterbrochen. Geschichtliche Prozesse wie Reformation, Renaissance und Aufklärung sind somit ausschließlich prägend für den westlichen Teil Europas. Der Kiewer Rus zerbricht durch die anderthalb Jahrhunderte andauernde Herrschaft des Mongolenkhanats, der „Goldenen Horde“, und Moskau wird von nun an neues Machtzentrum des russischen Reichs.