
Russland: Eine neue Stufe der Repression
Frankfurter Rundschau
Die Staatsanwaltschaft in Russland will Memorial, eine der wichtigsten Menschenrechtsgruppen im Land, auflösen. Viele Menschen fliehen.
Moskau - Der Journalist Nikolai Swanidse, Mitglied des präsidialen Menschenrechtsrats, sprach von einem „Alptraum“, der Bürgerrechtler Lew Ponomarjow von einem „tiefen moralischen Absturz“. Die Reste der liberalen russischen Öffentlichkeit empörten sich gestern über einen Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, Memorial, Russlands älteste Menschenrechtsgruppe und laut Ponomarjow „sein nationaler Stolz“, gerichtlich zu verbieten.
Wie Memorial International am Donnerstag (11.11.2021) auf seiner Webseite mitteilte, wirft die Anklagebehörde der Nichtregierungsorganisation vor, sie habe systematisch gegen das Gesetz über die „Ausländischen Agenten“ verstoßen und in ihren Publikationen extremistische und terroristische Organisationen unterstützt. „Es gibt keine legalen Gründe für die Liquidierung von Memorial International“, heißt es auf der Memorial-Webseite. „Das ist eine politische Entscheidung zur Vernichtung der Gesellschaft Memorial.“
Sowohl dem Rechtsschutzzentrum Memorial wie auch der Geschichtsgesellschaft Memorial drohen die Auflösung. Ihre Dachgruppe organisierte sich während Michail Gorbatschows Perestroika, anfangs arbeitete man vor allem den Massenterror unter Stalin historisch auf. 1991 gründete Memorial auch ein Menschenrechtszentrum, vereinigt heute dutzende Regionalverbände und Initiativen in Russland, Kasachstan, der Ukraine, aber auch in Westeuropa.