
Russen wollen Badeort aus Mariupol machen
n-tv
Mariupol war einmal eine reiche Industriestadt, bis der Kreml sie belagerte und zerbombte. Die russischen Besatzer wollen aus den Ruinen einen Badeort machen. Die Bewohner glauben nicht daran. Mariupols Bürgermeister warnt wegen der Massenbegräbnisse vor vergiftetem Grundwasser.
Nach wochenlangem Beschuss liegt die ukrainische Hafenstadt Mariupol in Trümmern, die letzten ukrainischen Soldaten im Asow-Stahlwerk haben kapituliert. Nun wollen die russischen Besatzer das ehemals pulsierende Industrie- und Wirtschaftszentrum am Asowschen Meer nach eigenen Angaben in einen Badeort verwandeln - ein Projekt, das sich inmitten von verkohlten Ruinen kaum vorstellen lässt. Auch bei den wenigen Menschen auf den Straßen reicht die Vorstellungskraft dafür nicht. Sie sehen eher keine Zukunft für sich und ihre Stadt.
Drei Monate Belagerung und Kämpfe haben aus Mariupol eine Geisterstadt gemacht. Hunderttausende Einwohner sind geflüchtet, viele sind gestorben. Auf den Alleen sind fast nur noch russisches Militär und seine separatistischen Verbündeten zu sehen, wie Journalisten auf einer vom russischen Verteidigungsministerium organisierten Pressereise beobachteten. In die Nähe des riesigen Asow-Stahlwerks, in dem ukrainische Kämpfer bis zuletzt erbitterten Widerstand leisteten, durften die Medien nicht.
Das wochenlange Geschützfeuer hat aufgehört. Die ersten Einwohner trauen sich wieder auf die Straße. Von Erleichterung oder gar Optimismus ist bei ihnen allerdings wenig zu spüren. Auch nicht bei Angela Kopyza: Die 52-jährige ehemalige Krankenschwester für Säuglinge bricht in Tränen aus, als sie erzählt, wie sie und ihre Nachbarn die Wochen ohne Wasser und Strom überlebten. "Mit den Kindern und dem Enkel teilte man sich einen Löffel Essen", sagt sie auf Russisch mit dem typischen Akzent des Donbass - und trauert um die Neugeborenen, die "in den Entbindungsstationen verhungerten".