Russen in den USA: "Putin? No good!"
DW
Mehr als eine halbe Million Russen leben in New York. In Brighton Beach, genannt Little Odessa hüllen sich viele angesichts des Krieges in der Ukraine in Schweigen. Andere schwanken zwischen Ärger, Scham und Sorge.
Es gibt drei Welten in Brighton Beach am südlichsten Zipfel Brooklyns in New York. Da ist die laute Einkaufsstraße mit den Juwelieren, Supermärkten, Kiosken, Apotheken. Ein Laden reiht sich an den nächsten, auf Tischen vor den Geschäften werden russische Backwaren, Bücher mit kyrillischen Titeln für einen Dollar und bei "Pretty Woman" Jacken in den Farben der russischen Flagge verkauft. Im Minutentakt rattern die silbernen Züge der New Yorker Subway über den Köpfen der Menschen hinweg, dann ist kein Wort mehr zu verstehen. Und wenn die U-Bahn vorübergezogen ist, sind so gut wie keine Gespräche auf Englisch zu hören; Russisch ist die Sprache der Straße.
Nur einen Block entfernt ist in der zweiten Welt auf dem Riegelmann Boardwalk nicht mehr als das Schreien der Möwen am Strand zu hören. Die Promenade ist fast leer, zu kalt weht der Wind noch vom Meer herüber. Wer an diesem Mittag hier entlang läuft, trägt Pelz oder oder dicke Funktionsjacken. Im russischen Restaurant Tatiana sitzen vereinzelt Gäste hinter Plastikplanen an üppig dekorierten Tischen.
Und dann ist da die dritte Welt, in der Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt, der UN-Sicherheitsrat, der nur einen Stadtteil und eine halbe Stunde Autofahrt entfernt ist, zu Krisensitzungen zusammenkommt und die Vereinigten Staaten die gemeinsam mit den westlichen Verbündeten versuchen, Wladimir Putin in seiner Aggression und seinem Machtanspruch zu stoppen.
Über diese Welt jedoch wollen viele in Little Odessa, wie Brighton Beach auch genannt wird, nicht gerne reden. Ein junges russisches Paar, das mit Blumen in der Hand die Straße herunter läuft, bleibt nur kurz stehen. Sie würden nicht mit der Politik Putins übereinstimmen, sagt der Mann, doch werde der Präsident schon seine Gründe haben, schiebt er noch hinterher. Seine Partnerin drängt ihn weiter, sie ist Professorin und will über das Thema gar nicht sprechen und schon gar nicht ihren Namen sagen. Der Krieg und die Menschen, die in der Ukraine durch russische Waffen sterben, das ist weit weg, so viel weiter weg als in der alten Heimat. Viele eilen lieber weiter, als über dieses Thema zu sprechen, die meisten aus Angst, doch manche, so wirkt es, verschanzen sich auch hinter einer vermeintlichen Sprachbarriere, um keine unpopuläre Meinung zu vertreten.
Mehr als drei Millionen Russinnen und Russen leben in den Vereinigten Staaten, es ist die größte russische Community in der westlichen Welt. Mehr als die Hälfte von ihnen wohnen im US-Bundesstaat New York, 600.000 im Großraum New York City. Und die meisten von ihnen gemeinsam mit vielen Einwanderern aus der Ukraine auf diesen wenigen Quadratkilometern in Brooklyn, wo das Riesenrad von Coney Island an der Strandpromenade am Horizont in den Himmel ragt.