Roter Drache mit kanadischem Akzent
Süddeutsche Zeitung
Deutschlands Gruppengegner China ist im Eishockey international nicht konkurrenzfähig. Das soll sich ändern - dank Ahnenforschung und großzügiger Einbürgerungsverfahren.
Urahn aller Menschen, Symbol von Stärke und Macht: In der chinesischen Mythologie spielt der Drache eine zentrale Rolle. Der für die Olympischen Winterspiele errichtete Eiskanal in Yanqing, der rund 2,5 Milliarden Dollar verschlungen haben soll, ist mit seiner 360-Grad-Kurve der Form eines auf einem Bergrücken schlafenden Lindwurms nachempfunden. Chinas Kaiser residierten einst auf dem Drachenthron. Bis heute hält sich im Land der Glaube an Drachengötter.
So wie Menschen beim Blick in den nächtlichen Sternenhimmel Tiere und Fabelwesen erkennen, lassen sich nach der Lehre des Fengshui (und mit ein bisschen Fantasie) bei der Draufsicht auf das tibetische Hochland gleich mehrere Drachen erkennen, die sich von Westen her in das Reich der Mitte schlängeln. Tatsächlich handelt es sich um die Höhenzüge des Kunlun, eines rund 3000 Kilometer langen, 7000 Meter hohen Gebirges, nach jahrtausendealter Überlieferung ein Ort der Unsterblichkeit. Der britische Autor James Hilton war Anfang der 1930er-Jahre davon so fasziniert, dass er in seinem Roman "Lost Horizon" dort das paradiesische Shangri-La ansiedelte (dass es sich dabei um Hiltons Fiktion handelt, ignorieren westliche Ostasien-Romantiker hartnäckig).
Die deutschen Eishockeyspieler erleben zum Auftakt eine unerwartet deutliche 1:5-Niederlage gegen Kanada. Der selbsternannte Medaillenkandidat muss sich erheblich steigern - aber die Vergangenheit macht Hoffnung. Von Johannes Schnitzler
Als die russischen Organisatoren der osteuropäischen Eishockey-Liga KHL vor sechs Jahren beschlossen, nach China zu expandieren, wählten die Besitzer der neuen Franchise also einen angemessenen Namen für das kommende beste Team des Landes: Kunlun Red Star. Das Logo zeigt einen Drachen, der einen roten Stern in seinen Klauen hält.
Die offizielle Aufnahme von Kunlun Red Star in die KHL im Juni 2016 glich einem Staatsakt. Zur Vertragsunterzeichnung erschienen der russische Präsident Wladimir Putin - ein erklärter Eishockeyfreund - und der chinesische Präsident Xi Jinping. Wegen der Pandemie trug der eigentlich in Peking beheimatete Klub seine Heimspiele zuletzt ein paar Kilometer nördlich von Moskau aus.