Ringelreigen der Kulturen
Süddeutsche Zeitung
Die Ausstellung "Global Groove" in Essen entfaltet 120 Jahre Tanz- und Kunstgeschichte.
Der Mann hockt im Schneidersitz auf einem Quader, skeptisch schaut er in die Kamera. Dahinter steht ein junger Fotograf namens Irving Penn, der die Schönen, Reichen und Berühmten in sein New Yorker Studio holt, um sie für die Vogue zu porträtieren. Für die Aufnahmen hat Penn ein ebenso einfaches wie geniales Setting ersonnen: eine schmale Ecke, auf die jedes seiner Modelle mit einer körpersprachlichen Inszenierung reagiert. Der Mann auf dem Quader heißt Isamu Noguchi, ist Amerikaner mit japanischen Wurzeln, von Beruf Bildhauer und Bühnenbildner der Choreografin Martha Graham. Hoch erhobenen Hauptes posiert er 1947 für Penn, doch seinen Körper hat er mit minimalistischer Anmut zusammengefaltet. Ganz anders Graham, die Penn ein Jahr später zum Shooting bittet: Die Pionierin des Modern Dance fährt Ellbogen und Knie aus, bis sie die Wände der Ecke touchiert - maximale Raumverdrängung, maximales Selbst- und Sendungsbewusstsein einer Tochter aus gutem Haus. In der Ausstellung "Global Groove" im Museum Folkwang in Essen hängen die beiden Fotografien nun direkt nebeneinander und dokumentieren, worum es geht: um interkulturellen Austausch und transkontinentale Brückenschläge, die das Gesicht des Tanzes seit dem Fin de Siècle verändert haben.