Renoir: Man hört sie förmlich scherzen
Frankfurter Rundschau
Die Ausstellung „Renoir. Rococo Revival“ im Städel Museum Frankfurt konfrontiert die Malerei des Impressionismus vortrefflich mit der des Rokoko.
Limonadenstimmung“ schrieb Thea Sternheim vor mehr als hundert Jahren in ihr Tagebuch. Die Autorin meinte damit die Gemälde von Pierre-Auguste Renoir. Heute klingt es abfällig, aber so war es vermutlich gar nicht gemeint. Trotzdem. „Limonadenstimmung“ – wahlweise: lieblich, süßlich – lautet ein Verdikt, das den Bildern Renoirs bis heute anhaftet. Weil viele davon so duftig, leicht und frühlingsfrisch wirken, so sorglos und unbekümmert. Menschen, die in toller Kleidung durch die Landschaft flanieren, zwanglos beieinander sitzen, sich badend ihrem Körper widmen oder gemütlich ein Buch lesen. Das Publikum liebt ihn dafür seit je. Einige Kritikerinnen und Kritiker wiederum fanden, dass es Renoir an Ernsthaftigkeit und Modernität mangele. Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts scheint in diesen Gemälden genauso wenig stattzufinden wie die raue soziale Realität im Frankreich des Second Empire oder die politischen Wirren der Zeit.
Interessanterweise ist es nun gerade der direkte Vergleich mit Werken des Rokoko, der den Eindruck der Banalität relativiert. Zwar demonstriert die Ausstellung „Renoir, Rococo Revival“ im Städel Museum Frankfurt mit vorzüglichen Bildbeispielen wie sehr der Künstler von der Epoche des Rokoko, ihren Themen und Bildideen geprägt war. Aber sie zeigt eben auch sehr eindrücklich, wie modern der Franzose den süßen Müßiggang im Freien, die intimen Momente im Boudoir ins Bild setzte.
Als Renoir die Malerei des Rokoko für sich entdeckte, war er nicht der einzige. Die Jahrzehnte, in denen man die Motive als unmoralisch und schlüpfrig empfand, waren vorbei. Auch Kollegen wie Edgar Degas oder Édouard Manet hatten ein Faible für die dekorativen, bisweilen lasziven Szenen eines Antoine Watteau oder François Boucher, begeisterten sich für deren pastellhaftige Farbigkeit und lebendige Pinselführung.
Als ausgebildeter Porzellanmaler – Renoir kam aus kleinbürgerlichen Verhältnissen und erlernte zunächst ein Handwerk – kannte er das Repertoire der Motive der französischen Kunst des 18. Jahrhunderts aus dem Effeff. Selbstredend übernahm er sie in seinen Zeichnungen und Gemälden nicht eins zu eins. Sein Personal gehörte nicht dem Adel an, sondern der Bourgeoisie: Menschen, die sich zwanglos und ohne finanzielle Sorgen im Theater, im Park oder Gartencafé vergnügten. Nicht, wie bei den Vorbildern, in idealisierten Fantasielandschaften, sondern an Orten, die sich oft genug lokalisieren lassen.
Während Antoine Watteau sein Personal zur „Einschiffung nach Kythera“ (1709/10) noch steif und in Prunkkleidung aufstellte, handelt es sich bei Renoirs „Ruderern bei Chatou“ (1879) um eine lässige Ausflugsgesellschaft in Freizeitkleidung. Man hört sie förmlich miteinander scherzen. Selbst das im Rokoko beliebte Motiv der schaukelnden Schönen wirkt bei Renoir wie ein spontan ausgeführter Einfall. Bei ihm steht die Dame denn auch etwas wackelig und mit unsicherem Blick auf dem niedrig hängenden Brett, anstatt weit ausschwingend durch die Luft zu gleiten.