
Razzia wegen Erdrutsch von Erftstadt: Flut oder Fahrlässigkeit?
Frankfurter Rundschau
Das Hochwasser in Erftstadt raubte vielen ihre eigenhändig aufgebaute Existenz binnen eines Tages. Die Staatsanwaltschaft glaubt Gründe außerhalb des Wetters gefunden zu haben.
Köln/Erftstadt – Es war ein Freitagmorgen im Juli, als Erftstädter nicht nur hypothetisch, sondern auch praktisch in den Abgrund blicken konnten. Ein von der Bezirksregierung in Köln verbreitetes Luftbild zeigte das Ausmaß der Zerstörung. Zu sehen war ein gewaltiges Erdloch, eine Art Schlund, der sich mitten in der Flutkatastrophe aufgetan hatte. Aufnahmen, bei denen so mancher Beobachter sich wie in der Szenearie eines Hollywood-Katastrophenfilms vorkommt, tatsächlich aber stammten die Aufnahmen aus Erftstadt bei Köln.
Mit den Hollywood-Parallelen nicht genug wird aus dem Katastrophenfilm fast ein halbes Jahr nach dem Vorfall nun zunehmen ein Krimi. Der Verdacht: Der Erdrutsch an der Kiesgrube von Erftstadt könnte nicht allein auf Naturgewalten zurückzuführen sein. Am Dienstag (11.01.2022) schwärmten 140 Beamtinnen und Beamte der Polizei aus, um Büros und Wohnräume zu durchsuchen.
Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge ermittelt sie nun gegen mehrere Verdächtige: gegen den Eigentümer und Verpächter des Tagebaus in Erftstadt, gegen fünf Beschuldigte des Betreibers sowie vier Beschuldigte der Bezirksregierung Arnsberg, die dem Gesetz nach die zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde sei. Im Zuge dessen seien Durchsuchungen an 20 Anschriften veranlasst worden, vor allem in Bergheim, Erftstadt, Köln und Dortmund.
Konkret gehe es um den Verdacht des fahrlässigen Herbeiführens einer Überschwemmung durch Unterlassen, der Baugefährdung sowie Verstoßes gegen das Bundesberggesetz.
Am Südrand des „Altbereichs“ der Kiesgrube von Erftstadt-Blessem soll sich kein den Bestimmungen entsprechender Hochwasserschutzwall befunden haben, so die Staatsanwaltschaft über die bisherigen Ermittlungen. Unzulässig steile Böschungen könnte es ebenfalls gegeben haben. Womöglich seien beide Aspekte ursächlich für das Eindringen großer Wassermassen in die Kiesgrube im Juli 2021. Starkregen – welcher damals auch andere Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz überschwemmte – flutete damals die Grube. Danach rutschte der Boden am nahen Stadtteil Blessem weg. Mehrere Gebäude wurden mitgerissen.