
Rüdiger Safranski über Philosophie und Corona: „Einzeln sein“ – Wir im Einzelnen
Frankfurter Rundschau
Rüdiger Safranski denkt über Philosophie in Zeiten von Corona nach.
Rüdiger Safranski erweist den Rang seiner Arbeit neuerdings darin, dass er sie an die Grenzen des eigenen Genres, der Philosophie-Geschichte, führt. Der Autor denkt in seinem neuen Buch darüber nach, was die Pandemie mit den Menschen macht, die sie in eine Isolation versetzt, in der sie ihrer gewohnten Kontakte beraubt sind. Daraus folgt für ihn zweierlei. Er widmet sich zunächst dem Einzelnen in seiner Einzelheit und erinnert daran, dass in der Geschichte des Denkens die entscheidenden Leistungen aus einem verwegenen Rückzug der Individuen auf sich selbst hervorgegangen sind. Manch eine Gestalt, die Brücken hinter sich abbrach, sollte dadurch neue, breitere bauen. Sodann zieht er die Konsequenz aus einer Epoche, in der der Anspruch auf umständliche Entfaltung großer Denkgebäude obsolet geworden ist, und löst die Darstellung in einzelne Skizzen auf. Es liegt auf der Hand, dass Safranski bei diesem Projekt auf die Philosophie des Nominalismus zurückgreifen musste. Sie stammt aus dem späten Mittelalter, verstand sich als Wendung gegen die Scholastik und lehrte, dass das wahrhaft Wirkliche das Einzelne sei, das durch Begrifflichkeit und Konstruktion eines Allgemeinen nicht erfasst werden könne.More Related News