Rückkehr ungewiss: Exodus aus Shanghai
DW
Shanghai galt als Chinas Fenster zur Welt und weltoffene Metropole. Aber Lockdown und Nationalismus treiben die Zugereisten in die Flucht.
Nach genau zwei Monaten im Lockdown und insgesamt 25 PCR-Tests reicht es ihnen. "Wir sind von der surrealen Politik und der aktuellen Lage zutiefst entsetzt und werden Shanghai im Sommer vorläufig verlassen", sagt Ralph Koppitz. Der Deutsche und seine chinesische Frau leben seit 25 Jahren in China. Im Sommer ziehen sie mit ihrer jüngsten Tochter zurück nach Deutschland.
Die Familie ist kein Einzelfall: Im Zuge der Pandemie hat sich die ohnehin niedrige Anzahl von Ausländern im Land nach aktuellen Schätzungen der EU-Handelskammer in China halbiert. Zum Sommer werde ein "Exodus" erwartet. Die restriktive Null-COVID-Politik bewegt viele Ausländer dazu, China zu verlassen. Doch sie ist nicht Grund allein. Die Gesellschaft werde insgesamt intoleranter gegenüber Ausländern, die Einstellung durch die zunehmende Propaganda nationalistischer, berichten Nicht-Chinesen, die noch im Land oder bereits ausgereist sind.
Für Familie Koppitz fühlt sich seit dem 17. März jeder Tag gleich an. So lange befinden sie sich bereits in ihrem Haus am Stadtrand von Shanghai im Lockdown. Um sieben Uhr stehen sie auf, gehen eine Runde mit dem Hund durch den Wohnkomplex, den sogenannten "Compound", frühstücken, warten auf die neuesten Zahlen der Gesundheitskommission. Danach hat die Tochter Online-Schulunterricht, Ehepaar Koppitz beginnt zu arbeiten, beide sind in der Unternehmensberatung tätig. "Es fällt uns schwer motiviert zu bleiben, ohne Aussicht darauf, wann die Maßnahmen fallen", sagt Ralph Koppitz.
Die Familie weiß, dass es ihr im Vergleich zu anderen Bewohnern Shanghais gut geht. Sie hat einen kleinen Garten, lebt in einer Zone, in der sich die Menschen aufgrund niedrigerer Infektionszahlen außerhalb der Wohnung im "Compound" bewegen dürfen. Auch die Essensversorgung funktioniert. Es gibt Sammelbestellungen, die durch die Nachbarschaft organisiert werden. Aber in den sozialen Medien, die Koppitz und den meisten Ausländern im Land als verlässlichere Informationsquelle als die Staatsmedien dienen, zeichnet sich ein anderes, erschreckendes Bild ab.
So gibt es seit Wochen Berichte über schlechte Essenversorgung in der Stadt. Regierungspakete kommen demnach gar nicht, oder so spät an, dass die Nahrungsmittel bereits ungenießbar sind. Der Lockdown wird zum Teil mit drakonischen Maßnahmen durchgesetzt, Nachbarschaftskomitees stellen Zäune und Absperrungen vor Hauseingängen auf. Positiv Getestete würden in Quarantänezentren mit zum Teil schlechten Hygienebedingungen gebracht, wo sie ohne Behandlung ausharren müssten, bis sie wieder zu Hause isoliert werden. Chronisch Kranke würden teilweise nicht mehr behandelt, es mangele an medizinischer Versorgung, wird berichtet.