Römerberggespräche in Frankfurt zum Gendern und zur Sprache: Abrüsten und sich locker machen
Frankfurter Rundschau
Die 50. Römerberggespräche beschäftigen sich mit „Sprache. Macht. Gerechtigkeit“.
Wenn es doch nur 0,2 bis 0,45 Sekunden sind: hr-Literaturredakteur Alf Mentzer hatte seine Gendersternchen-Sprechpausen messen lassen und fand sie nicht der Rede wert – also nicht der Aufregung vieler Hörerinnen und Hörer, die sich beim Sender melden, sobald das Binnen-I oder Gendersternchen durch eine Zehntelsekunden-Pause gekennzeichnet wird. Doch Aufregung gibt es seit einigen Jahren schon – und sie ebbt noch keineswegs ab –, Aufregung und Streit um den „richtigen“ Gebrauch von Sprache, um gewisse verletzende Wörter, um Inklusion und sprachliche Sichtbarkeit. So dass die Frankfurter Römerberggespräche sich in ihrer Jubiläums-, in ihrer 50. Ausgabe in Vorträgen und Podiumsrunden im Chagallsaal des Schauspiels mit „Sprache. Macht. Gerechtigkeit“ auseinandersetzten und fragten: „Wer darf wie reden?“ Neben Alf Mentzer moderierte die Journalistin Hadija Haruna-Oelker.
Aladin El-Mafaalani, Soziologe und Autor, thematisierte als Eröffnungsredner auch gleich eine andere Form von Inklusion, die bei den folgenden Vortragenden aber eher keine Rolle mehr spielte: die Verständlichkeit, die Bildhaftigkeit zwecks einer Mitnahme der Zuhörenden. Einen Tisch bat er diese sich nämlich vorzustellen, außerdem eine Menge auf dem Boden Sitzender. Sei der Tisch lange Zeit fast ausschließlich mit älteren Männern besetzt gewesen, so schafften es in den letzten Jahren mehr und mehr Menschen, sich daran zu platzieren. Dort könne man sie nun auch meckern hören, dort würden sogar Fragen gestellt wie: ob das auf dem Tisch überhaupt der richtige Kuchen sei. Ob man ein „Leitrezept“ brauche, ob es nicht besser sei, mehrere Kuchen zu haben. Dieser Streit, so der durchaus optimistische El-Mafaalani, entstehe „aus guten Gründen“ und müsse angenommen werden. Auch wenn das, wie er zugab, für alle Stress bedeute, ganz besonders aber für jene, die auf dem Boden sitzen und zusätzlich einer Minderheit angehören.
„Wir werden noch Jahre und Jahrzehnte Spaß haben“, prophezeite El-Mafaalani mit Ironie, aber er schien den Zuhörenden doch auch zu raten, sich ein wenig locker zu machen in Sachen Sprachgebrauch. Dies tat auch die an der Ludwig-Maximilians-Universität lehrende Soziologieprofessorin Paula-Irene Villa Braslavsky. Indem sie zwar einerseits eine „ethische Verpflichtung“ ausmachte, einander so gut wie möglich zuzuhören. Indem sie aber auch die Unkontrollierbarkeit von Sprache betonte, die Kluft zwischen Sprache und ihren Wirkungen, die eigene Logik jeder Auseinandersetzung. Mit einem schönen Bild riet sie zu mehr Entspanntheit: Man solle „die Sprache atmen lassen“.