Putins Paten
Frankfurter Rundschau
Der Sport hat Russland weltweit isoliert und damit der Staatspropaganda ihrer wichtigsten Quelle beraubt – doch Verstrickungen bleiben
Es ist ein ikonografisches Bild der Sportgeschichte. Auf gepolsterten Sesseln verfolgen Wladimir Putin, Fifa-Präsident Gianni Infantino und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman das Eröffnungsspiel der Fußball-WM 2018 im Moskauer Luschniki-Stadion. Zu diesem Zeitpunkt haben russische Truppen die Krim annektiert und an der Seite des syrischen Diktators al-Assad gekämpft. Zu diesem Zeitpunkt haben russische Kräfte die Repression gegen die Zivilgesellschaft verschärft und sich in die US-Präsidentschaftswahl 2016 eingemischt. Doch auf einer der wichtigsten Bühnen des Sports, bei der Fußball-WM, darf sich Putin noch immer als Weltbürger präsentieren.
Nach dem Angriff auf die Ukraine wird es solche Bilder nicht mehr geben. Das IOC hat die Empfehlung ausgesprochen, Wettbewerbe aus Russland zu verlegen und Sportler aus Russland auszuschließen. Ein Fachverband nach dem anderen ergreift Maßnahmen. Der Weltfußballverband Fifa hat dem russischen Nationalteam die Qualifikationsspiele für die WM 2022 in Katar versperrt. Russland wird im internationalen Sport isoliert. Für einen solchen Schritt gibt es in der jüngeren Geschichte wenige Beispiele: In den 1960er Jahren stellte sich der Sport geschlossen gegen das Apartheidregime in Südafrika. Vor gut dreißig Jahren wurden Sportler aus dem Kriegsland Jugoslawien verbannt. Aber ein politisches Schwergewicht wie Russland hat es mit dieser Wucht noch nicht getroffen.
Auf finanzieller Ebene dürfte der Ausschluss wichtiger Banken aus dem Swift-Zahlungssystem den Kreml härter treffen. Doch auf der symbolischen Ebene geht der russischen Staatspropaganda nun eine ihrer wichtigsten Quelle verloren: Der Sport. Die Plattform für Sieger und vermeintlich unpolitische Patrioten.
Um diesen Rückschlag zu erfassen, lohnt sich eine historische Einordnung. Ob Zarenreich, Sowjetunion oder Russische Föderation: Seit mehr als 130 Jahren hatte der Sport eine Identität stiftende Wirkung für viele Russen. Im Kalten Krieg etablierte die UdSSR ein System, um ihre wirtschaftlich überlegenen Rivalen aus dem Westen zumindest bei Olympischen Spielen hinter sich zu lassen. Die Sowjetunion kollabierte, und das Prestige der sportlichen Planwirtschaft ging verloren.
In den chaotischen Neunziger Jahren, als die russische Wirtschaft um fünfzig Prozent schrumpfte und Millionen Menschen verarmten, kam eine kleine Elite aus Oligarchen, Politikern und Sicherheitskräften zu Macht und Wohlstand. 1999 übernahm Wladimir Putin die Regierung. Er profitierte von einem Wirtschaftsaufschwung und steigenden Rohstoffpreisen. Der Wunsch nach innerer Sicherheit und globaler Anerkennung prägten sein Handeln, dabei half ihm der Sport.