
Putin stärkt die Nato
Frankfurter Rundschau
Der russische Präsident eint mit seiner aggressiven Politik das westliche Verteidigungsbündnis und treibt zudem deren Erweiterung voran
Wladimir Putin hat es wieder mal geschafft, anderen Menschen Angst zu machen. In dieser Disziplin ist der russische Staatschef unschlagbar. Westliche Botschaften in der Ukraine reduzieren ihr Personal, raten Familienangehörigen zur Heimreise – und tragen auf diese Weise bei zu einer weltweit wachsenden Nervosität.
Zugleich aber bewirkt Putin noch etwas ganz anderes, etwas für Russland sehr Ungünstiges. Die Nato, im Jahr 2019 vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron für hirntot erklärt, zeigt sich plötzlich quicklebendig. Selbstbewusst verstärkt das Bündnis seine Truppen quer durch Osteuropa. Zugleich kommt jetzt ein wahrhaft historisches Wendemanöver in Gang. Die bislang stets neutralen Staaten Schweden und Finnland nähern sich neuerdings der Nato an wie noch nie. Schweden, das bereits oft an Nato-Einsätzen teilnimmt, könnte notfalls über Nacht Mitglied werden. Bei Finnland wird es länger dauern.
Die Ironie der Geschichte wird damit unübersehbar: Putin treibt die Erweiterung der Nato, die er stets wortreich bejammert, eigenhändig voran. Alle Menschen werden Brüder – sobald ein gemeinsamer Feind auftaucht. Hat das angebliche strategische Genie im Kreml diese alte Grundregel verkannt? Berichte S. 6/7