"Putin denkt, dass es nie passieren wird"
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Die Entscheidung, ob die EU Beitrittsverhandlungen mit Kiew der Ukraine starten soll, rückt näher. Marie Dumoulin ist Direktorin des "Wider Europe Programme" der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR). Sie erklärt, warum neben der EU auch die Ukraine bei einem zu schnellen Beitritt Probleme bekommen kann. Und warum Russlands Präsident Putin gar nicht daran denkt, dass die Ukraine Kiew Mitglied werden könnte.
ntv.de: Auf ihrem Gipfeltreffen am 14. und 15. Dezember werden die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union darüber abstimmen, ob die EU Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufnehmen soll. Wovor hat Putin besonders Angst, wenn die Ukraine der EU beitritt?
Marie Dumoulin: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Putin irgendetwas über den EU-Beitritt der Ukraine und die möglichen Folgen für Russland gesagt hätte. Das mag daran liegen, dass er denkt, dass es nie passieren wird, weil er die Ukraine als einen gescheiterten Staat ansieht. Das heißt aber nicht, dass er sich keine Sorgen über die Auswirkungen macht, die der EU-Beitritt auf den Einfluss Russlands auf die Ukraine, auf die Definition der russischen Identität und auf die Art des politischen Modells, das Russland zu etablieren versucht, haben wird. Der Beitritt der Ukraine zur EU würde Putins Vorstellung von einer großen slawischen Nation, die sich aus Russen, Weißrussen und Ukrainern zusammensetzt, zerstören. Die Ukraine wäre dann noch deutlicher als eine Demokratie zu erkennen, die Teil des westlichen Werte- und Normensystems ist. Dies ist mit Putins politischem Projekt nicht vereinbar. Ein EU-Beitritt würde die Ukraine vollständig aus dem Wirkungsbereich Russlands herauslösen. Sie unterliegt schon jetzt nicht mehr dem Einfluss Russlands. Putin kann jedoch hoffen, diesen Einfluss im Laufe der Zeit wiederherstellen zu können, wenn die Ukraine den Krieg verliert.