Psychische Krankheiten - Die vergessene Pandemie
Die Welt
Die psychischen Kollateralschäden der Corona-Krise treffen auf eine Versorgungslage, die schon vor der Pandemie desolat war. Dabei gäbe es eigentlich genug Psychotherapeuten. Doch die Kassen halten das Angebot künstlich knapp.
Die vielleicht größte Paradoxie der Corona-Politik wird nicht beim Blick auf einzelne Maßnahmen sichtbar, sondern erst beim Vergleich der Anstrengungen, die zur Bekämpfung dieser einen Krankheit unternommen wurden, mit den vermeidbaren Krankheits- und Sterbefällen, die in einem anderen Bereich des Gesundheitswesens zur widerspruchslos akzeptierten Normalität gehören.
Für Patienten mit psychischen Krankheiten lag die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz schon vor der Pandemie bei vier bis fünf Monaten. Seitdem sind die Anfragen in Therapiepraxen noch einmal um 40 Prozent gestiegen. Das knappe Angebot führt dazu, dass viele Betroffene letztlich nie behandelt werden, weil ihnen die Energie und Frustrationstoleranz fehlen, um sich im Konkurrenzkampf um Therapieplätze durchzusetzen.