Prozess um "NSU 2.0"-Mails beginnt
ZDF
Ein 53-jähriger Mann aus Berlin steht vor dem Landgericht Frankfurt. Er soll 116 rechtsextreme und rassistische Drohschreiben verschickt haben.
"Heil Hitler! NSU 2.0" - diese Grußformel soll Alexander M. aus Berlin in fast allen seinen Drohschreiben genutzt haben. Er selbst nannte sich "SS-Obersturmbannführer". Insgesamt 116 Mails, Faxe und SMS soll Alexander M. verschickt haben, vor allem an Frauen.
Unter seinen Opfern waren die Parteichefin der Linken, Janine Wissler, die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die Kabarettistin Idil Baydar, die Anwältin Seda Başay-Yıldız und der Anwalt Mehmet Daimagüler. Başay-Yıldız und Daimagüler hatten beim NSU-Prozess in München Hinterbliebene der rechtsterroristischen Mordserie vertreten.
An die privaten Daten der Opfer war der mutmaßliche Täter offenbar auch über die Polizei gekommen. So soll er laut Staatsanwaltschaft auf einem Revier in Frankfurt am Main angerufen und sich als Kollege ausgegeben haben. Auch der hessische Innenminister geht im ZDF-Interview von diesem Ablauf aus.
Die Datenabfragen über einen Polizeicomputer führten die Ermittlerinnen und Ermittler zum Handy einer Polizistin, die damals im Dienst war. Darauf fanden sie eine rechtsextreme Chatgruppe von Polizeibeamtinnen und -beamten - zunächst konzentrierten sich die Ermittlungen daher auf sie. Die Staatsanwaltschaft geht inzwischen davon aus, dass die Beamtinnen und Beamten nicht in strafrechtlich relevanter Weise an den Datenabfragen beteiligt waren.
Die Opfer sehen die Polizei dagegen als nicht entlastet an und fordern weitere Aufklärung.
Im Mittelpunkt des Prozesses vor dem Landgericht Frankfurt wird nicht die Polizei, sondern der 53-jährige Alexander M. aus Berlin stehen. Die Liste der strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn ist lang: Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.
Fast zweieinhalb Jahre lang, von August 2018 bis März 2021, konnte Alexander M. seine Mails, Faxe und SMS verfassen und verschicken, ohne entdeckt zu werden. Er drohte darin unter anderem mit Mord, auch gegenüber Kindern, hinterließ rassistische Beleidigungen und kündigte an, die Privatadresse der Opfer im Darknet zu veröffentlichen. Lange rätselten die Öffentlichkeit und offenbar auch die Ermittlerinnen und Ermittler, wer hinter den Taten stecken könnte.