Proteste in Kasachstan: Putins Albtraum - oder Chance?
DW
Russland will die Regierung von Kasachstan stützen und schickt Militär. Für Präsident Putin geht es um mehr als nur seinen Einfluss in einem Partnerland, das gerade von Unruhen erschüttert wird.
Wie wichtig ist Kasachstan für Russland? Eine Zahl macht es deutlich: Die gemeinsame Grenze zwischen den beiden früheren Sowjetrepubliken ist rund 7600 Kilometer lang. Es ist eine der längsten Landesgrenzen weltweit. Doch es kommt nicht nur auf die Länge an. Die benachbarten Regionen sind seit der Sowjetzeit militärisch wichtig. Beispiele sind das Raketentestgelände Kapustin Jar, das teilweise in Kasachstan liegt, oder die vielen Waffenschmieden am und hinter dem Ural. Geopolitisch betrachtet Russland Kasachstan - wie die gesamte Region - als seinen Hinterhof.
Als Moskau am Donnerstag dieser Woche Fallschirmjäger nach Kasachstan schickte, um der dortigen Regierung bei der Niederschlagung der Proteste zu helfen, ging es auch um Eigeninteressen. Der Einsatz wird zwar eingebettet in eine sogenannte "Friedensmission" der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit, eines von Russland dominierten Militärbündnisses ehemaliger Sowjetrepubliken.
Die Unruhen in Kasachstan seien jedoch eine "ernsthafte Bedrohung" für Russland selbst, sagte der russische Politik-Experte Nikolaj Petrow im DW-Gespräch. Die russisch-kasachische Grenze sei wegen ihrer Länge "nicht besonders gut geschützt".
Die Bedeutung Kasachstans für Russland ist kaum zu überschätzen. Es ist die größte und reichste ehemalige Sowjetrepublik in Zentralasien, die außerdem mit Moskau am engsten verbunden ist. Kasachstan trieb zusammen mit Russland und Belarus die Gründung der Eurasischen Wirtschafsunion nach EU-Vorbild voran, eines Prestigeprojekts des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nach offiziellen Angaben waren Kasachen im Jahr 2020 mit mehr als 60.000 Personen die größte Gruppe unter ausländischen Studenten an russischen Hochschulen. In Umfragen des renommierten Moskauer Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum bewertete rund ein Drittel der Russen Kasachstan wiederholt als das zweitfreundlichste Land nach Belarus. 2014 wurde es von China überholt und rangiert seitdem an dritter Stelle.
Im Dezember vermeldete der russische Ministerpräsident Michail Mischustin beim Treffen mit seinem damaligen kasachischen Kollegen Askar Mamin Rekordumsätze im Handel. Die aus Moskauer Sicht strategisch wichtigste Zusammenarbeit betrifft die Raumfahrt. Kasachstan erbte von der Sowjetunion den Weltraumbahnhof Baikonur, den Russland für 115 Millionen US-Dollar im Jahr pachtet. Moskau hat inzwischen einen eigenen Weltraumbahnhof im fernen Osten in Betrieb genommen, will aber Baikonur weiter nutzen.