![Präsident „Weiter so“: Was die Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier bedeutet](https://www.fr.de/bilder/2022/02/13/91345673/28230617-frank-walter-steinmeier-nach-seiner-wiederwahl-zum-bundespraesidenten-1SnyPz4Oslef.jpg)
Präsident „Weiter so“: Was die Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier bedeutet
Frankfurter Rundschau
Eine Wahl, deren Ausgang schon vorher feststand, und ein Präsident, der nicht gerade für radikale Veränderung steht. Ist es das, was das Land braucht?
Berlin – Formal betrachtet, hatten die Mitglieder der Bundesversammlung die freie Auswahl: Neben dem amtierenden Präsidenten Frank-Walter Steinmeier bewarben sich ein linker Arzt und Sozialaktivist, ein Mann aus dem reaktionär-rechtsextremen Graubereich und – wie so oft chancenlos, aber mit sehr achtbarem Ergebnis – eine Frau: Stefanie Gebauer als Vertreterin der „Freien Wähler“. Doch der Sieger stand schon vorher fest.
SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP, die sich im Vorfeld auf Steinmeier festgelegt hatten, bescherten ihm fast eine Dreiviertel-Mehrheit. Insofern stand der Wahlakt selbst für das, was auch die Person des alten und neuen Bundespräsidenten ausmacht: Das Überraschende, aus Routinen Ausbrechende, neue Wege Vermessende fand in der Bundesversammlung wenig Raum, und die Sache des Wiedergewählten ist es auch nicht.
Das heißt nicht, dass es dem Staatsoberhaupt an einer Mission fehlen würde. Der Präsident ist – und war auch wieder in seiner Dankesrede an diesem Sonntag – ein unermüdlicher Prediger des großen, von Vernunft geleiteten gesellschaftlichen Gesprächs als Lebenselixier der Demokratie. Und es sieht leider so aus, als wären solche Appelle heute noch notwendiger als bei Steinmeiers erster Wahl vor fünf Jahren.
Aber das kann die entscheidende Schwachstelle dieser Präsidentschaft nicht vergessen machen: Der Amtsinhaber verwechselt das Ideal der Demokratie, die er für seine Verhältnisse leidenschaftlich verteidigt, mit ihrem realen Zustand. In seiner Wahrnehmung wäre wohl so ziemlich alles in Ordnung, wenn nur endlich alle Leute so anständig und zivilisiert mit den Krisen und Konflikten unserer Tage umgingen wie die „große Mehrheit“, von der er gern spricht.
Richtig daran ist, dass wohl tatsächlich die meisten Menschen in Deutschland mit Rassismus, Hass und herbeifantasierten Feindbildern nichts am Hut haben wollen. Aber wer die demokratische Gesellschaft verteidigen will, wird sie entschieden verändern müssen.