Portugals Premier António Costa darf weiterregieren
Süddeutsche Zeitung
Die rechtspopulistische Chega-Partei könnte drittstärkste Kraft in Lissabon werden. Überschattet wird der Wahltag von Omikron - und einem mutmaßlichen Hackerangriff.
Die Ernüchterung war groß auf der Wahlparty von Rui Rio, der in einem Hotel im Zentrum Lissabons PSD-Unterstützer zusammengerufen hatte, um an diesem Sonntagabend zu feiern. Erst riefen die Sprechchöre, die man noch von den letzten Tagen des Wahlkampfs im Ohr hatte, ihr rhythmisches "PSD", die Abkürzung von Rios konservativem Partido Social Democrata. Doch dann verstummte der Saal, berichtete die Público-Journalistin Leonete Botelho am Wahlabend. Schon in den ersten Prognosen direkt nach Schließung der Wahllokale zeichnete sich ab: Nicht Herausforderer Rui Rio, sondern der bisherige portugiesische Premierminister António Costa hat diese Wahl gewonnen. Und zwar nicht knapp, wie es die Umfrageinstitute vor dem Wahltag noch vorausgesagt hatten, sondern ziemlich deutlich.
Zwischen 37 und 42 Prozent der Stimmen wurden dem Sozialisten Costa am Wahlabend vorhergesagt. Das endgültige Auszählungsergebnis wurde erst für Montag erwartet. Für den Chef des Partido Socialista (PS) rückt damit sogar eine absolute Mehrheit in greifbare Nähe. Und das, obwohl sich die meisten politischen Beobachter in Portugal und auch der bisherige Premier selbst einig waren: Absolute Mehrheiten mögen die Portugiesen nicht.
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Doch selbst wenn Costa einen oder mehrere Partner zum Regieren braucht, stehen ihm dafür einige zur Auswahl. Dass er sich erneut mit Linksblock und Kommunisten einlässt, die seit 2015 die sozialistische Minderheitsregierung in Portugal geduldet hatten, erscheint eher unwahrscheinlich. Zumal die Wähler in ihrem Abstimmungsergebnis erkennen lassen, dass sie den beiden bisherigen Partnern Costas übelnehmen, mit ihrem Nein zum Haushalt für das laufende Jahr die Regierung gesprengt und die vorgezogene Neuwahl überhaupt erst notwendig gemacht zu haben. Das Wahlergebnis, das Linksblock und Kommunisten an diesem Sonntag eingefahren haben, liegt jedenfalls weit unter dem Ergebnis bei der letzten Wahl im Herbst 2019.
Profitiert hat von der Neuwahl vor allem die rechtspopulistische Chega-Partei. Die bisher als Ein-Mann-Protest-Partei wahrgenommene Formation des Ex-Sportkommentators André Ventura wird künftig wohl als drittstärkste Kraft in der Assembleia da República in Lissabon vertreten sein. Der Wahlerfolg von Chega, die vor allem mit einem Wahlkampf gegen Minderheiten wie Roma Stimmung gemacht hatten, ging ebenso zulasten von Rui Rios Konservativen wie auch der Zugewinn der erst 2017 gegründeten liberalen Kleinpartei Iniciativa Liberal, die bislang mit nur einem Abgeordneten im Parlament vertreten war.