
Polens Regierungspartei macht Wahlkampf mit Auschwitz
DW
Polens liberale Opposition will am Sonntag den größten Protestmarsch seit dem Fall des eisernen Vorhangs 1989 veranstalten. Mit einem umstrittenen Videospot will die Regierung die Menschen von der Teilnahme abbringen.
Knapp vier Monate vor der Parlamentswahl in Polen steigt im nationalkonservativen Regierungslager die Nervosität. Der liberale Oppositionsführer Donald Tusk hat zu einer Protest-Demonstration gegen die Regierung aufgerufen. Am kommenden Sonntag (4.06.2023) sollen in Warschau so viele Menschen auf die Straße gehen wie noch nie seit dem Ende der kommunistischen Herrschaft im Jahr 1989. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) fürchtet, dass eine Großdemonstration mit massenhafter Beteiligung einen Wendepunkt im Wahlkampf darstellen könnte.
Um die Menschen von der Teilnahme an der Demonstration abzubringen, veröffentlichte die Partei von Jaroslaw Kaczynski am Mittwoch per Twitter ein Video, das in Polen und darüber hinaus für Empörung sorgt.
Der kurze Spot zeigt das Torhaus zum Vernichtungslager Birkenau sowie den Eingang zum Stammlager Auschwitz. Deutlich sichtbar ist die zynische Aufschrift "Arbeit macht frei" über dem Tor. Dann die Information, dass im Lager mehr als eine Million Menschen ermordet wurden und dass im Zweiten Weltkrieg sechs Millionen Polen starben. Eingeblendet wird ein Tweet des regierungskritischen Journalisten Tomasz Lis, der für die PiS eine Hassfigur ist.
Er hatte zwei Tage zuvor auf Twitter geschrieben, es werde sich schon eine "Kammer" für Präsident Andrzej Duda und Jaroslaw Kaczynski finden. In Polen wird unter "Kammer" meistens eine Gaskammer verstanden. Lis hatte sich entschuldigt und den Tweet gelöscht. Er habe mit der "Kammer" eine Gefängniszelle gemeint, erklärte er. Die PiS nutzte jedoch die Gelegenheit zum Schlag gegen die Opposition und ihre geplante Demonstration. Während in dem Wahlvideo das Logo der Protestdemonstration gezeigt wird, fragt eine Stimme aus dem Off: "Willst du wirklich unter diesem Motto mitgehen?"
Mit dem Wahlspot knüpft PiS an frühere Erfolge an. Denn freche Videos waren bisher eine Stärke der polnischen Nationalkonservativen. Ein Video, in dem Tusks Großvater beschuldigt wurde, freiwillig in der Wehrmacht gedient zu haben, hatte Lech Kaczynski im Jahr 2005 geholfen, die Präsidentenwahl zu gewinnen. Die Spots, die die angebliche Verarmung der Bevölkerung durch die Politik der Liberalen, spielten eine entscheidende Rolle bei den Erfolgen der PiS bei den Parlamentswahlen in der Vergangenheit. Doch die jüngste Idee des Wahlkampfstabs könnte sich als kontraproduktiv erweisen.