Polen: Telefonische Morddrohungen gegen Journalisten - und deren Kinder
DW
Journalisten und ihre Kinder werden zunehmend Ziel anonymer Drohanrufe. Reporter ohne Grenzen fordern Aufklärung von Polens Regierung. Die vermutet hinter den Anrufen "Maßnahmen, die Russland gegen den Westen einsetzt".
Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) ist empört: "Drei polnische Journalisten unabhängiger Medien und ihre Kinder wurden Ziele von Todesdrohungen und Spoofing." Mit dieser Technik können Anrufer Telefonnummern benutzen, die nicht ihre eigenen sind - aber der angerufenen Person bekannt. ROG fordert die polnischen Behörden dazu auf, "diejenigen festzunehmen, die Reporter und ihre Angehörigen bedrohen, deren Telefonnummern missbrauchen und falsche Informationen in ihrem Namen verbreiten".
Betroffen sind drei Journalisten, die alle für regierungskritische Medien arbeiten. Einer von ihnen ist Szymon Jadczak vom Portal Wirtualna Polska, der über Politik, Korruption und Cybersicherheit berichtet. In letzter Zeit schreibt er vor allem über den Pegasus-Skandal, eine großangelegte Abhöraktion.
Mitte Dezember 2021 erhielt Jadczak einen Anruf von der Telefonnummer einer Kollegin. Doch als er das Gespräch annahm, meldete sich nicht etwa die Journalistin. "Stattdessen hörte ich eine Morddrohung, die von einer metallischen, verzerrten Stimme verlesen wurde", sagt Jadczak der DW. "Dabei fielen viele vulgäre Worte. Ich habe das Gespräch schnell abgebrochen und gleich die Kollegin angerufen, deren Nummer genutzt wurde. Sie sagte, dass sie im gleichen Moment dieselbe Morddrohung bekommen habe."
Das sei typisch für Spoofing, erklärt Jadczak. Die Methode wird in Polen häufig genutzt. So hat etwa die Tochter des Rechtsanwalts Roman Giertych, der Pegasus-Opfer vertritt und selbst abgehört wurde, Anfang 2022 einen ähnlichen Anruf bekommen. "Jemand las mit metallischer, computerveränderter Stimme vor, dass sie dieses Mal die richtige Dosis Gift für mich präparieren werden", twitterte Maria Giertych am 27. Januar.
Anonyme Anrufe bekam auch der stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen Partei Bürgerplattform (PO), Borys Budka. Ihm verkündete eine verzerrte Stimme per Telefon den angeblichen Tod seiner Frau: "Kasia ist tot. Sie atmet nicht. Sie hatte einen Herzinfarkt." Gleichzeitig informierten Unbekannte Frau Budka per Telefon vom angeblichen Tod ihres Mannes.