
Polen: Betätigungsverbot für Donald Tusk?
DW
Vor der Parlamentswahl im Herbst steigt in Polen die Spannung. Die Regierungspartei PiS fürchtet um ihre Macht. Eine Sonderkommission soll nun ihren gefährlichsten Gegenspieler, Donald Tusk, vom Rennen ausschließen.
Noch nie in seiner achtjährigen Amtszeit ist der polnische Staatspräsident Andrzej Duda so von der liberalen Opposition umworben worden, wie am vergangenen Wochenende. Kein Wunder, denn nur er konnte mit seinem Veto das umstrittene, von vielen als verfassungswidrig kritisierte Gesetz stoppen, das der Sejm mit der Regierungsmehrheit am vergangenen Freitag (26.05.2023) beschlossen hat. Es sieht die Einberufung einer staatlichen Kommission vor, die den russischen Einfluss auf "die innere Sicherheit der Republik Polen in den Jahren 2007 bis 2022" untersuchen soll. Und es könnte dazu führen, dass der aussichtsreiche Kandidat der Opposition, der ehemalige Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, von den im Herbst anstehenden Wahlen ausgeschlossen wird. Die Opposition hatte zunächst Grund zur Hoffnung, denn aus dem Präsidentenpalast verlautete, Duda werde das Gesetz nicht unterschreiben. Doch dann kam alles anders.
"Ich werde das Gesetz unterschreiben", teilte Duda am Montag (29.05.2023) in Warschau mit und machte damit die Hoffnungen der Opposition und der liberal gesinnten Menschen im Land mit einem Schlag zunichte. Zwar kündigte er an, dass er das Dokument nach der Unterschrift dem Verfassungsgericht zur Überprüfung vorlegen werde, doch das gilt als eine bedeutungslose Geste. Das Verfassungsgericht steht in Polen inzwischen unter der Kontrolle des Regierungslagers.
Die neue staatliche Kommission soll vor allem die Energiepolitik in den Jahren vor dem Ukraine-Krieg untersuchen. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei der Kauf von Gas und Erdöl aus Russland. Die Regierungspartei PiS wirft Tusk vor, in seiner Zeit als polnischer Regierungschef (2007-2014) Polen von russischen Energie-Importen abhängig gemacht zu haben. Auch soll Tusk nicht deutlich genug gegen das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream vorgegangen sein.
Oppositionspolitiker und regierungskritische Medien nennen das Gesetz "Lex Tusk". Denn offenbar soll mit der neuen Sonderkommission die Kandidatur des aussichtsreichen Politikers bei den anstehenden Wahlen verhindert werden. Das neue Gremium, das ein Verwaltungsorgan ist und mehr Kompetenzen als ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat, kann Personen, die es für schuldig befindet, für bis zu zehn Jahren von allen Ämtern ausschließen, die mit der Ausgabe öffentlicher Gelder verbunden sind.
"Sie haben heute die Feiglinge gesehen, die für eine Kommission gestimmt haben, die ihren gefährlichsten Gegner ausschalten soll", kommentierte Tusk am Freitag das Abstimmungsergebnis im Parlament und kündigte an: "Jene Abgeordnete, die den Verfassungsbruch unterstützt haben, werden das bereuen."