Philosoph Immanuel Kant: Der Mann, der das Denken revolutionierte
Frankfurter Rundschau
Der Frankfur ter Professor Marcus Willaschek hat eine glänzende Biografie über den Philosophen Immanuel Kant geschrieben.
Er war einer der seltenen Aufsteiger seiner Zeit. Immanuel Kant stammte aus einfachen Verhältnissen, sein Vater war Riemermeister, seine Mutter eine herzensgute Frau, die aus Nürnberg stammte und nach Königsberg ausgewandert war. Kant verdankte es seiner außergewöhnlichen Begabung, seiner hohen Intelligenz, dass aus ihm das wurde, woran die Nachwelt sich erinnert: ein grandioser Denker. Er erhielt ein Stipendium, so dass er ans Collegium Fridericianum gehen konnte, um eine gute Schulausbildung zu erhalten. Das Studium schloss sich an, später verdiente er sein Geld als Hauslehrer, schließlich wurde er nach vielen Jahren Wartezeit Professor. Er konnte es sich sogar leisten, ihm angetragene Lehrstühle abzulehnen. Der junge Mann aus überschaubaren, fast ärmlichen Verhältnissen zählte später die reichsten Kaufleute der Stadt zu seinen engsten Freunden, er war mit dem Oberbürgermeister eng verbunden wie auch mit hochstehenden Militärs und in der Stadt hoch angesehen.
Heute kennt ihn jeder und jede, der oder die sich mit Philosophie beschäftigt. Kant ist der bedeutendste Denker der Neuzeit. Diese Feststellung findet ihren Grund nicht in einer Schwärmerei für dessen Denken, sondern in der Tatsache, dass die Philosophie auch heutzutage an vielen seiner theoretischen Konzeptionen nicht vorbeikommt und an einige nicht einmal heranreicht. Kant sei kein Stern am Firmament, hieß es schon zu seiner Zeit, sondern ein ganzes Sonnensystem auf einmal.
Der Frankfurter Philosophie-Professor Marcus Willaschek hat nun, ein Jahr vor Kants 300. Geburtstag, eine neue Biografie zu Kant vorgelegt. Kapitel für Kapitel werden Schwerpunkte von dessen Lehre verbunden mit seinen Lebensschritten oder -umständen in einem wunderbar leichten und zugänglichen Stil vorgetragen. Man spürt es in jeder Zeile: Hier schreibt ein tiefer Kenner der Philosophie Kants. Wer sich für den Philosophen aus Königsberg interessiert, kennt viele der Arbeiten Willascheks zu Kant, Beiträge in Sammelbänden, Aufsätze oder Monografien. Das nun vorgelegte Kant-Buch setzt noch einmal Maßstäbe. Und das ist nicht leicht. Denn vor genau 20 Jahren hat der Marburger Kant-Kenner Manfred Kühn schon einmal ein Glanzlicht gesetzt. Vielleicht war dessen Buch detailreicher, eleganter ist dennoch das von Willaschek. Es hat wunderbare Kapitel, deren Inhalt uns auch heute beschäftigt. Was ist (und wer ist) ein Mensch? Zeigen die schönen Dinge, dass der Mensch in die Welt passt?
Und besonders schön ist, dass Willaschek Kants menschliche Seite nicht ausblendet. Er war eben kein Gott, nicht der unfehlbare Denker, den sich viele erhofft haben mögen. Auch, dass er ein Leben nach der Uhr geführt habe, verweist Willaschek ins Reich der Legenden. Richtig ist, dass der Denker aus Königsberg einen sehr geregelten Tagesablauf hatte. Und man weiß ja heutzutage, wie viel Energie so etwas freizusetzen vermag. Kant war nicht nur ein Aufsteiger, er war in gewisser Hinsicht sogar ein Spätstarter. Denn seine großen Werke, die Kritik der reinen Vernunft, die Kritik der praktischen Vernunft und die Kritik der Urteilskraft, nicht zu vergessen die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, vollendete Kant erst nach seinem 57. Lebensjahr. Die höchste Produktivität hatte er in einem Altersabschnitt, in dem heutige Unternehmen ihre Arbeitnehmer:innen am liebsten frühverrenten oder in die Arbeitslosigkeit schicken.
Der Weg Kants war verästelt. Und das trotz seines großen Talents. Er galt als junger Mann als galante und elegante Figur, als einer, der gerne pokerte, Billard spielte und sich in Gesellschaft aufhielt. Er war stets fröhlich und unterhaltsam, erklärte sein Schüler Johann Gottfried Herder. Die Pokerpartien entschied er meistens für sich. Er soll beim Spielen stets ein Pokerface aufgesetzt haben, berichten seine Freunde. Die machten sich aber auch Sorgen um ihn, sie glaubten, unser Kant kommt noch von der Bahn ab mit seiner Zockerei. Kant war schon in jungen Jahren sehr erfolgreich, ein hervorragender und viel gelesener Autor. Er interessierte sich für Naturwissenschaften und die Metaphysik. Besonders letztere sei seine Leidenschaft, bemerkte er einmal. Er schrieb eine Naturgeschichte des Himmels und entwarf unabhängig von Laplace die Idee, dass das heutige Sonnensystem im Laufe eines Prozesses der „Anziehung und Abstoßung“ entstanden ist.