Perverser Scharfsinn
Süddeutsche Zeitung
Eine Frankfurter Ausstellung zeigt, warum es zwischen Weimar und NS-Zeit keinen ästhetischen Bruch in der Fotografie gab.
Menschen, die nicht fotografieren könnten, seien die "analfabeten der zukunft", prognostizierte László Moholy-Nagy 1927. Dieser Satz des berühmten Bauhaus-Meisters mag arrogant klingen, er markierte historisch gesehen dennoch einen Epochenwechsel. Bis in die Mitte der Zwanzigerjahre befand sich die Fotografie im Kutschenzeitalter der Bilderzeugung. Schwerfällige Apparate mit endlosen Belichtungszeiten machten den Beruf des Fotografen zu einer schweißtreibenden Geduldsarbeit. Doch mit der Vorstellung der Leica-Kleinbildkamera als Serienmodell 1925 auf der Leipziger Frühjahrsmesse startete die Kettenreaktion der Fotografie, die dazu führte, dass heute über 100 Millionen Fotos täglich auf Instagram hochgeladen werden. Die "analfabeten" wurden zu Autodidakten, das Lichtbild zum Leitmedium für Werbung, Propaganda und Selbstdarstellung. Der Glaube war geboren, dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte.More Related News