Per Handzeichen zu noch tieferer Spaltung
Süddeutsche Zeitung
Die Abgeordneten des libyschen Repräsentantenhauses wählen einen neuen Premier. Nur: Der Amtsinhaber will nicht weichen. Dazu überlebt dieser einen Anschlag. Droht nun wieder Bürgerkrieg?
Am Ende wurde die neue institutionelle Teilung Libyens durch einfaches Handzeichen herbeigeführt. Denn so beschlossen die Abgeordneten des Repräsentantenhauses im Regierungssitz Tobruk im Osten des Landes am Donnerstag die Wahl des ehemaligen Innenministers Fathi Bashagha zum neuen Premierminister. Sein einziger Gegenkandidat hatte kurzfristig zurückgezogen.
Libyen hat nun zwei Regierungschefs, weil gleichzeitig Abdulhamid Dbeibah seinen Rücktritt ausschloss. Der Chef der international anerkannten "Regierung der nationalen Einheit" erklärte, er werde die Macht nur nach einer landesweiten Wahl abgeben. Diese Position hatten im Dezember Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und die Vereinigten Staaten unterstützt, nachdem eine erste Präsidentschaftswahl kurzfristig abgesagt worden war. In den vergangenen Wochen hatte die UN-Sonderberaterin Stephanie Williams versucht, einen neuen Fahrplan für Wahlen möglichst im Juni zu finden. Das von Sprecher Aguila Saleh beherrschte Repräsentantenhaus in Ostlibyen durchkreuzt nun diese Bemühungen mit der Wahl von Bashagha.
Mit Wahlen sollte der Bürgerkrieg in Libyen beigelegt und die Spaltung der staatlichen Institutionen überwunden werden. Doch sie wurden verschoben - und ob sie am neuen Termin stattfinden können, ist fraglich. Die Hoffnungen richten sich nun auf eine Diplomatin. Von Paul-Anton Krüger, Berlin, und Thore Schröder, Beirut
Libyen wird seit dem Sturz des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi 2011 immer wieder von Konflikten erschüttert, die das Land zu zerreißen drohen. Nach einem Bürgerkrieg gab es jahrelang jeweils eine Regierung im Osten und im Westen, die über eigene Truppen und internationale Unterstützer verfügten. Auch die Präsenz von 25 000 ausländischen Söldnern - etwa aus Syrien, Russland, Tschad und dem Sudan - steht einer friedlichen Lösung im Wege.
Und für den im vergangenen Jahr angeschobenen Einigungsprozess samt Wahlen für Präsidentenamt und Parlament wurde nie eine für alle Seiten akzeptable rechtliche Basis geschaffen. Kurz vor dem Wahltermin am 24. Dezember gab die Wahlkommission bekannt, dass sie keine Bewerberliste veröffentlichen könne. Mehrere höchst umstrittene Kandidaten hatten sich aufstellen lassen, darunter der Warlord Khalifa Haftar, der Sohn des Langzeitdiktators Saif al-Islam Gaddafi und Premier Dbeibah. Letzterer, ein mächtiger Geschäftsmann aus Misrata, hatte sich eigentlich nur bereit erklärt, als Übergangslösung zu fungieren - dann aber offenbar Gefallen an der Macht und den daraus erwachsenden wirtschaftlichen Möglichkeiten gefunden. Haftar und Gaddafi waren zwischenzeitlich gerichtlich von der Wahl ausgeschlossen worden, weil ihnen schwere Verbrechen vorgeworfen wurden.