Pascal Groß: Der Hartplatzheld
Frankfurter Rundschau
Der Neuling könnte im DFB-Team ein paar Probleme lösen - zum Beispiel bei Standards
Es ist ungewohnt heiß für einen Septembertag in Wolfsburg. Die Spätsommersonne scheint ohne Erbarmen auf den Übungsplatz hinter der Wolfsburger Fußballarena, wo das deutsche Nationalteam am Samstag (20.45 Uhr/RTL) Japan empfängt. Pascal Groß trainiert zum ersten Mal unter Anleitung von Bundestrainer Hansi Flick. Man muss genau hinschauen bei den Passstafetten, die der Spätberufene in einer Gruppe mit Joshua Kimmich vollführt. Technische Umsetzung, Frisur, Größe, Sitz der Stutzen - die beiden ähnlich sich verdächtig.
Mit dem Unterschied, dass Kimmich mit 28 fast 80 Länderspiele absolviert hat und Groß mit 32 null. Klassischer Fall von unter dem Radar geflogen in der Premier League bei Brighton & Hove Albion. Taktiknerd Tobias Escher, Mitbegründer des Blogs spielverlagerung.de, sagt über den gebürtigen Mannheimer, der vergangene Saison für Brighton neun Tore schoss und acht Treffer vorbereitete: „Pascal Groß hätte der deutschen Mannschaft sicher schon bei der Weltmeisterschaft helfen können. Es gilt die alte Weisheit: Besser spät als nie! Er kann im Zentrum, vor allem aber auf den Außenverteidigerpositionen mit seinem Auge helfen.“
Spieler „mit Auge“ hat jeder Trainer gern, Spieler mit Auge sind Leute mit 360-Grad-Blick, die schon vor der Ballverarbeitung wissen, wohin die Kugel gleich gehen wird, die ihren Gegnern so in der Regel ein paar Zehntelsekunden voraus sind und Räume erkennen, die noch gar nicht geöffnet sind. Das alles trifft auf Pascal Groß zu.
Das Magazin „Fourfourtwo“ stufte den Allrounder nach dessen Verpflichtung im Jahr 2017 vom FC Ingolstadt in die Top Ten der Neuverpflichtungen der Premier League. Brighton, inzwischen Europa-League-Teilnehmer, hatte Groß sehr intensiv gescoutet: „Die wussten alles über mich“, staunte er seinerzeit. Inzwischen nennen sie ihn in Brighton den „Kaiser“.
Hansi Flick hat Groß auch deshalb in den Kreis der Besten geholt, weil der in der Lage sein dürfte, die Position des rechten Verteidigers – seit Philipp Lahms Rücktritt vor neun Jahren eine Problemposition im DFB-Team - trotz seines fortgeschrittenen Alters ultramodern zu interpretieren. „Wenn man rechter Verteidiger spielt, spielt man nicht das ganze Spiel rechter Verteidiger“, sagt Groß. Will heißen: Da ist es einer gewohnt, flexibel unterwegs zu sein und seine Position variabel zu interpretieren. Zumal er zu der seltenen Spezies der polyvalenten Spieler gehört und in Brighton offensiv und defensiv spielte, sowohl rechts als auch in der Mitte agierte und sein Ego dabei, wie er ausdrücklich betont, dem Teamgedanken stets untergeordnet hat. „Ich probiere, meine Mitspieler so gut ich kann in Szene zu setzen.“ Somit passt Pascal Groß auch idealtypisch in das vom Bundestrainer mit Ausrufezeichen ausgerufene Profil von Leuten, die „die Mannschaft in den Vordergrund stellen und ihr Ego hintenanstellen“.