"Partygate"-Skandal: Johnson wagt die Flucht nach vorn
ProSieben
Der Bericht über Lockdown-Partys in der Downing Street liegt endlich auf dem Tisch - und fällt trotz Abschwächungen ein vernichtendes Urteil. Premier Boris Johnson wagt dennoch die Flucht nach vorn. Sein Schicksal liegt nun in den Händen seiner Parteikollegen.
Dem Pardon folgte die volle Ladung Attacke: Nach einer kurzen Entschuldigung für den Umgang mit der "Partygate"-Affäre hat der britische Premierminister Boris Johnson am Montag sein Heil in der Offensive gesucht. Johnson griff Oppositionsführer Keir Starmer persönlich an und betonte angebliche Erfolge seiner Partei. Einen Rücktritt schloss der konservative Regierungschef erneut aus. Er forderte, die Ermittlungen der Polizei abzuwarten. Zuvor hatte ein interner Untersuchungsbericht den Verantwortlichen im britischen Regierungssitz schwere Verfehlungen bei der Einhaltung von Regeln zur Zeit der Corona-Lockdowns und Führungsversagen vorgeworfen.
Johnson gab sich zum Auftakt seiner Erklärung betreten. "Ich möchte Entschuldigung sagen", sagte der Premier im Londoner Unterhaus. Das sei aber nicht genug, da etliche Menschen in der Pandemie große Opfer gebracht hätten und sich an die Regeln gehalten hätten. Der Premier kündigte weitreichende Umstrukturierungen und Reformen in seinem Amtssitz an. "Ich verstehe es und ich werde es in Ordnung bringen", sagte Johnson.
Allerdings schlug dem Premier auch aus den eigenen Reihen heftiger Widerstand entgegen. Das frühere Regierungsmitglied Andrew Mitchell entzog seinem Parteikollegen öffentlich das Vertrauen. Von seiner Vorgängerin Theresa May musste sich Johnson fragen lassen, ob er und seine Mitarbeiter die damals geltenden Corona-Regeln nicht gelesen oder nicht verstanden hätten - oder ob sie gedacht hätten, die Regeln gälten nicht für sie.
In der turbulenten Sitzung forderte die Opposition Johnson wiederholt zum Rücktritt auf. Der Chef der Schottischen Nationalpartei (SNP), Ian Blackford, nannte Johnson wiederholt einen Lügner - das ist nach den strengen Parlamentsregeln verboten. Blackford musste den Saal verlassen. Labour-Chef Starmer rief die Tory-Fraktion auf, Johnson abzusetzen. Der Premier habe mit seinem Verhalten alle in seiner Nähe beschädigt, das Vertrauen zerstört und die Demokratie untergraben.
Trotz der scharfen Vorwürfe gilt ein parteiinternes Misstrauensvotum gegen Johnson aber mittlerweile als unwahrscheinlich. Dafür müssten sich mindestens 54 Tory-Abgeordnete gegen Premier aussprechen.