
Paradoxe Steuerpolitik
Frankfurter Rundschau
Der Staat soll investieren, aber ohne die Steuern zu erhöhen. Grundlage dieser paradoxen Forderung ist eine dehnbare Vorstellung von Steuergerechtigkeit. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Die Quadratur des Kreises ist gefragt. Wie eine repräsentative Befragung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ergab, wünscht die große Mehrheit mehr öffentliche Investitionen. Das soll durch Einsparungen anderer öffentlicher Aufgaben finanziert werden. Die Einsparungen würden aber genau diejenigen Subventionen betreffen, die laut Umfrage gefördert werden sollen: Klimaschutz, Wohnungsbau und Digitalisierung. Nur 15 Prozent der Befragten sind für Kreditfinanzierung, nur acht Prozent der Befragten für Steuererhöhung.
Das Paradoxon, warum Steuererhöhungen trotz Finanzierungsbedarf und steigender Ungleichheit keine Option sind, wurde mit der dehnbaren Vorstellung von Steuergerechtigkeit erklärt. Für die konsequente Besteuerung nach „Leistungsfähigkeit“ (eigentlich „Zahlungsfähigkeit“) fanden sich keine Mehrheiten. Der Versuch, die Flat Tax als gleichhohe und damit gerechte Steuer zu verkaufen, ist mit der Bierdeckelsteuer zwar ansatzweise gescheitert. Hohe Steuern auf Reichtum wurden in längerer Sicht aber nur in oder nach Kriegszeiten eingeführt, wenn diese für andere Arten der Bevorzugung kompensieren sollten, etwa für die Befreiung vom Kriegsdienst.
Ausgespielt gegen Gerechtigkeitsargumente wird häufig der Erhalt von Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Substanz. Bekanntermaßen setzten die Lobbys der Familienunternehmen so die weitgehende Steuerbefreiung großer Erbschaften durch. Deklariert als Betriebsvermögen, entfällt bei entsprechender Gestaltung ganz legal die Erbschaftsteuer. Hat diese überhaupt negative Auswirkungen auf Arbeitsplätze? Bislang fehlen dafür überzeugende Belege. Dass demokratische, von verschiedenen Beteiligten gestaltete Unternehmen eine Option sein könnten, wird im Gegensatz zur hierarchischen Ordnung der Firmenerben selten gedacht.