Oscars 2022: Welche Chancen haben Frauen auf den Regie-Oscar?
DW
In der 94-jährigen Oscar-Geschichte wurden nur zwei Frauen mit dem begehrten Regie-Oscar geehrt. Wieso haben es Frauen in dieser Männerdomäne so schwer? Ist ein Wendepunkt in Sicht?
"Well, the time has come…" ("Nun, die Zeit ist reif…") verkündet Barbra Streisand, als sie die Gewinnerin des Regie-Oscars aus dem Briefumschlag im Jahr 2010 zieht. Zum ersten Mal in der damals 81-jährigen Geschichte der Academy Awards gewinnt eine Frau eine der wichtigsten Kategorie. Die Überraschung in Kathryn Bigelows Augen ist groß. Sie setzte sich mit ihrem Film "The Hurt Locker" gegen James Cameron und Quentin Tarantino durch.
Bis 2010 gab es in dieser prestigeträchtigen Kategorie überhaupt nur vier weibliche Nominierungen: Lina Wertmüller (1977), Jane Campion (1994), Sofia Coppola (2004), Kathryn Bigelow (2010). Vergangenes Jahr dann die Sensation: Zum ersten Mal in der Geschichte der Oscars wurden zwei Frauen nominiert - Chloé Zhao und Emerald Fennell. Mit "Nomadland" gewann Zhao die begehrte Trophäe. Auch in diesem Jahr gibt es einen Präzedenzfall - Jane Campion ist die erste Filmemacherin, die zum zweiten Mal in der Kategorie "Beste Regie" nominiert wurde. Ist die Academy diverser geworden?
"Ich zögere, dies als Fortschritt zu bezeichnen. Ich denke, es wäre treffender, es als ein Nachgeben gegenüber den anhaltenden Einwänden aus der Gemeinschaft zu bezeichnen, dass etwas ernsthaft nicht stimmt, wenn Jahr für Jahr keine Frauen nominiert werden", sagt Martha Lauzen, Direktorin am Center for the Study of Women in Television & Film an der San Diego State University. "Der routinemäßige Ausschluss von Frauen in einer der prestigeträchtigsten Kategorien durch die Academy war einfach nicht mehr tragbar oder zu rechtfertigen."
Schritt für Schritt betreten selbstbewusste Frauen die stark von Männern dominierten Gewerke in der Filmbranche. Laut dem aktuellen Celluloid Ceiling Report, der seit 24 Jahren jährlich erscheint und die Beschäftigung von Frauen in den 250 umsatzstärksten US-Filmen erforscht, geht das allerdings nur sehr langsam voran - mit einem erneuten Rückschlag, wie der diesjährige Report zeigt.
Nach einem historischen Höchststand im Jahr 2020 saßen ein Jahr später wieder weniger Frauen auf dem Regiestuhl. So sank der Anteil der Regisseurinnen an den 250 besten Filmen von 18 auf 17 Prozent. Der Anteil der Regisseurinnen, die an den Top-100-Filmen arbeiten, sank von 16 Prozent auf 12 Prozent. Auch in anderen Filmberufen sind Frauen stark unterrepräsentiert: Im Jahr 2021 hatten 94 Prozent der 250 besten US-Filme keine weiblichen Kameraleute, 92 Prozent keine Filmkomponistinnen, 82 Prozent keine Regisseurinnen, 73 Prozent keine Cutterinnen und 72 Prozent keine Drehbuchautorinnen.