
Ohne Frauen: Gelehrten-Treffen der Taliban
DW
Die erste große Versammlung der Taliban zu nationalen Fragen war eine reine Männerveranstaltung. Sie diente vor allem der Bestätigung der Führung.
Erstmals seit ihrer Machtübernahme haben die Taliban eine große Versammlung von islamischen Gelehrten und einigen Stammesältesten aus verschiedenen Landesteilen abgehalten. Die dreitägige Veranstaltung in Kabul, die am vergangenen Samstag zu Ende ging, basierte auf dem traditionellen Vorbild der sogenannten "großen Versammlung" oder Loja Dschirga, wo angesehene Vertreter verschiedener ethnischer und gesellschaftlicher Gruppen über Fragen von nationaler Tragweite beraten. Die Taliban nannten ihre Versammlung jedoch nicht Loja Dschirga, sondern Versammlung der Ulema, das heißt der Religions- und Rechtsgelehrten, Afghanistans. Die Institution der Loja Dschirga spielte unter anderem bei der Installierung der prowestlichen Regierung unter Hamid Karsai nach dem Sturz der Taliban 2001/2002 eine wichtige Rolle.
Das jetzige von den Taliban organisierte Treffen ging ohne Fortschritt bei Frauenrechten und der politischen Teilhabe von Minderheiten zu Ende. Unbeantwortet blieb die Frage, wann Mädchen ab der sechsten Klasse wieder zur Schule gehen können. Fragen der DW zu den Themen Frauenrechte, Minderheiten oder mögliche Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen ließen die Taliban unbeantwortet.
"Die Taliban wollten der Welt zeigen, dass sie die große traditionelle Ratsversammlung mit Anwesenheit einflussreicher Personen und Stammesvertreter abhalten können", sagt der ehemalige afghanischer Diplomat Asis Meradsch im Gespräch mit der DW. Mehr als 3000 Männer waren von der militant-islamistischen Gruppe nach Kabul eingeladen worden. Sie sollten vor allem ihre Ergebenheit gegenüber dem Taliban-Führer Haibatullah Achundsada demonstrieren, der zum ersten Mal seit der Machtübernahme der Taliban im vergangenen August öffentlich in Kabul auftrat. In der Versammlungshalle wurde er mit Jubel und Gesängen empfangen, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. "Lang lebe das Islamische Emirat Afghanistan" hätten die Anwesenden gerufen. Sie forderten zudem die internationale Gemeinschaft auf, die Taliban-Regierung anzuerkennen und eingefrorene Konten mit Staatsgeldern freizugeben.
Wie das Land geführt wird, soll nach Ansicht der Taliban ihr oberster Führer entscheiden. Achundsada betonte auf der Versammlung, er sei "kein symbolischer politischer Führer, der sich auf Wahlen stützt". Achundsada tritt nur selten öffentlich auf, trägt den Titel "Anführer der Gläubigen" und gehört zu den Gründern der Taliban-Bewegung. Er verkündete, das Gesetz Gottes in Afghanistan durchsetzen zu wollen, selbst wenn die Welt "mit einer Atombombe" gegen die Taliban vorginge. "Wir hören einzig auf Allah, den Allmächtigen." Er betete auch für die mehr als 1000 Opfer des Erdbebens Ende Juni.
Ausdrücklich verbat sich der Taliban-Chef Einmischungen aus dem Ausland: "Sie sagen: 'Warum macht Ihr nicht dies, warum macht Ihr nicht jenes'", klagte Achundsada in einer einstündigen Rede. "Warum mischt sich die Welt in unsere Arbeit ein?" Die Taliban-Vertreter im Kontakt mit dem Ausland müssten "Härten erdulden", weil "die Welt es nicht leicht akzeptieren wird, dass ihr das islamische System umsetzt". Damit erteilte er indirekt auch wiederholten Forderung der internationalen Gemeinschaft eine Absage, die Rechte der Frauen zu respektieren.