
Offenes Rennen zwischen Erdogan und Opposition
DW
Nach Schließung der Wahllokale wird in der Türkei nun ausgezählt. Staatliche Medien sehen Präsident Erdogan vorne. Die Opposition widerspricht aber und gibt sich selbstbewusst. Am Ende könnte es eine Stichwahl geben.
Nach Schließung der Wahllokale zeichnet sich bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei ein spannendes Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und seinem Herausforderer ab. Laut staatlichen Medien führt Erdogan bei der laufenden Auszählung vor seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu von der oppositionellen CHP mit mehreren Prozentpunkten. So berichtet die staatliche Agentur Anadolu nach Auszählung von über 80 Prozent der Stimmen, dass für Erdogan knapp über 50 Prozent stimmten. Auf Kilicdaroglu entfielen demnach rund 44 Prozent.
Die CHP behauptet hingegen, dass Kilicdaroglu vor dem Präsidenten liege. "Unsere Zahlen zeichnen ein positives Bild", sagte ein Sprecher. "Wir liegen vorne", schrieb Kilicdaroglu via Twitter. Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu (CHP) kritisierte angebliche taktische Manöver bei der Stimmauszählung. In Hochburgen der Opposition lege die islamisch-konservative AKP bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse ein. Dadurch werde die Auszählung langsamer gemacht, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus.
Laut der der Opposition nahestehenden Nachrichtenagentur ANKA sind mittlerweile rund 80 Prozent der Stimmen ausgezählt. Dabei führt Erdogan mit gut 48 Prozent vor Kilicdaroglu mit knapp 46 Prozent. Wenn keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit gewinnt, ist am 28. Mai eine Stichwahl fällig.
Die Wahl lief nach einer ersten Einschätzung der zuständigen Behörde ohne Probleme ab. Oppositionspolitiker meldeten kleinere Zwischenfälle aus verschiedenen Provinzen. Einer Kurdenorganisation zufolge hat es "viele Wahlmanipulationen in kleinerem Umfang" gegeben. So sei vielerorts gemeldet worden, dass Wahlzettel bereits gestempelt gewesen seien, als sie verteilt wurden, erklärte das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, Civaka Azad, mit Sitz in Berlin. Auch ungültige Zettel wurden demnach verteilt. Zudem wurden angeblich mehrere Tausend Menschen am Wählen gehindert, indem sie ohne ihr Wissen als Wahlhelfer benannt wurden oder weil ihnen kein Stimmzettel ausgehändigt wurde, da ihre Namen angeblich nicht auf den Listen standen.
Die hohe Präsenz von Militär und Polizei - insbesondere in mehrheitlich kurdischen Provinzen - sei sehr auffällig gewesen und habe nach Angaben von Wahlbeobachtern zu einer starken Einschüchterung der Gesellschaft beigetragen, erklärte Civaka Azad weiter. Bilder und Videos von kleineren gewaltsamen Zusammenstößen in Wahllokalen, meist ausgehend von AKP-Anhängern, wurden demnach im Internet verbreitet. Zusammengefasst seien die "Schicksalswahlen" bisher aber deutlich friedlicher abgelaufen als befürchtet, hieß es weiter.