
Offenes Rennen zwischen Erdogan und Opposition
DW
Nach Schließung der Wahllokale wird in der Türkei nun ausgezählt. Staatliche Medien sehen Präsident Erdogan vorne. Die Opposition widerspricht aber und gibt sich selbstbewusst.
Nach Schließung der Wahllokale zeichnet sich bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei ein spannendes Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und seinem Herausforderer ab. Laut staatlichen Medien führt Erdogan bei der laufenden Auszählung vor seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu von der oppositionellen CHP mit mehreren Prozentpunkten. Die Staatsagentur Anadolu veröffentlicht in der Regel aber zunächst die Auszählungsergebnisse in Erdogan-Hochburgen. Die ersten Daten lassen daher noch keine Rückschlüsse auf das Endergebnis zu. Zudem schrumpft der Vorsprung Erdogans im Laufe des Abends.
Die CHP behauptet, dass Kilicdaroglu vor dem Präsidenten liege. "Unsere Zahlen zeichnen ein positives Bild", sagte ein Sprecher. "Wir liegen vorne", schrieb Kilicdaroglu via Twitter. Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu (CHP) rief die Bevölkerung auf, die Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu nicht zu beachten. Die türkische Regierung warf der Opposition im Gegenzug eine "diktatorische Haltung" während der Stimmauszählung vor.
Mit belastbaren Zahlen wird es im Laufe des Abends gerechnet. Wenn keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit gewinnt, ist am 28. Mai eine Stichwahl fällig.
Einer Kurdenorganisation zufolge hat es bei den Abstimmungen "viele Wahlmanipulationen in kleinerem Umfang" gegeben. So sei etwa vielerorts gemeldet worden, dass Wahlzettel bereits gestempelt gewesen seien, als sie verteilt wurden, erklärte das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, Civaka Azad, mit Sitz in Berlin. Auch ungültige Zettel wurden demnach verteilt. Zudem wurden angeblich mehrere Tausend Menschen am Wählen gehindert, indem sie ohne ihr Wissen als Wahlhelfer (...) benannt wurden oder weil ihnen kein Stimmzettel ausgehändigt wurde, da ihre Namen angeblich nicht auf den Listen standen.
Die hohe Präsenz von Militär und Polizei - insbesondere in mehrheitlich kurdischen Provinzen - sei sehr auffällig gewesen und habe nach Angaben von Wahlbeobachtern zu einer starken Einschüchterung der Gesellschaft beigetragen, erklärte Civaka Azad weiter. Bilder und Videos von kleineren gewaltsamen Zusammenstößen in Wahllokalen, meist ausgehend von AKP-Anhängern, wurden demnach im Internet verbreitet. Zusammengefasst seien die "Schicksalswahlen" bisher aber deutlich friedlicher abgelaufen als befürchtet, hieß es weiter.