"Nur mich, mein Skifahren und den Berg im Kopf"
Süddeutsche Zeitung
Der Slalomfahrer Linus Straßer gewinnt in Schladming zum dritten Mal im alpinen Weltcup - der Erfolg ist das Produkt eines längeren Reifeprozesses und einer extremen Gratwanderung.
Einen Ehrentitel hatte der Slalomfahrer Linus Straßer in diesem Winter bereits eingeheimst, ehe er am Dienstagabend in Schladming zu seinem nächsten Sieg carvte, seinem dritten Triumph im 96. Weltcup-Rennen. Sein Trainer Bernd Brunner hatte Straßer diese Würde verliehen, knapp zwei Wochen ist das jetzt her, nach dem Slalom in Wengen. Straßer, befand Brunner damals, sei zweifellos "der schnellste Mann am Berg" gewesen. Das Ganze hatte bloß den klitzekleinen Haken, dass der Belobigte im zweiten Lauf mit dem Ski auf eine Stange geprallt war, ein leichtsinniger Einfädler. Straßer rutschte dann auch angemessen fluchend über den Hang, wäre er ordnungsgemäß ins Ziel gerauscht, er hätte sich vielleicht schon da seinen ersten Saisonsieg beschafft.
Andererseits: So launisch wie sich die Alpinen des Deutschen Skiverbands (DSV) in diesem Winter beizeiten präsentierten, bei Straßer waren sich fast alle Betreuer einig: Es sei keine Frage des Ob, sondern des Wann, bis er sich wieder ganz vorne einreihen würde.
Die deutschen Skirennfahrer verpatzen in Kitzbühel ihre Generalprobe vor den Olympischen Spielen. Die Hoffnung auf eine Trendwende ist noch überschaubar. Von Johannes Knuth
Am Dienstagabend war es also so weit, auf der steilen Planai in Schladming, und die Art, wie sich der 29-Jährige vom TSV 1860 München diesen Erfolg zusammenschraubte, kam auf den ersten Blick fast schon trocken daher. Straßer führte keine Aufholjagd vor, die in diesem Winter schwer in Mode ist - vom Heck des Feldes im zweiten Lauf noch aufs Podium, wie es in Schladming der Österreicher Manuel Feller und der Norweger Atle Lie McGrath vollbrachten. Straßer weinte auch nicht so herzhaft wie McGrath, der nach diversen Verletzungen erstmals das Podest im Slalom erklomm, drei läppische Hundertstelsekunden hinter dem Sieger. Und erst recht hasardierte der Deutsche nicht durch den Kurs wie der Schwede Kristoffer Jakobsen, der von seinem Mut im ersten Lauf zu einer famosen Bestzeit getragen wurde, ehe er für das Risiko im Finale teuer bezahlte: Einfädler am dritten Tor, aus und vorbei.
Straßer ging die Sache hochseriös an, "nur mich, mein Skifahren und den Berg im Kopf", berichtete er später. Er blendete auch Sympathisanten an der Tankstelle aus, die ihm auf dem Weg zur Spätschicht hinterhergerufen hatten: "Des g'winnst heut, Straßer!" Im ersten Lauf fuhr er stark, aber nicht mit voller Schubkraft, Rang fünf. So goss er ein Fundament an Selbstvertrauen, auf dem er einen zweiten Lauf errichtete, der Risiko und Kontrolle genau richtig abmischte.