Nur übergewichtig oder krank? Wie Sie erkennen, ob Sie unter einem Lipödem leiden
RTL
Die Beine kribbeln, sehen dick aus, obwohl man sich gesund ernährt und Sport treibt und mitunter tut es richtig weh? All das könnte für ein Lipödem sprechen.
Es schmerzt, brennt, juckt oder kribbelt in Armen oder Beinen – und nicht zu vergessen die unschönen Fettpolster, die einfach nicht weggehen wollen und sogar teils mehr werden, obwohl man Sport treibt und sich gesund ernährt: All das könnte auf die Volkskrankheit Lipödem hinweisen; eine Fettverteilungsstörung, von der fast ausschließlich Frauen betroffen sind. Alleine in Deutschland leidet jede zehnte Frau darunter – nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Eine Operation, die die krankhaften Fettwülste entfernt, kostet mehrere Tausend Euro und wird meist nicht von den Krankenkassen übernommen. Aber wie erkennt man, ob man einfach nur etwas "kräftiger" ist – oder krank? RTL hat mit Prof. Dr. Ulrich Wolters, einem Gefäßchirurgen, gesprochen.
RTL-Reporterin Johanna Schnüpke hat zudem eine Betroffenn bei sich Zuhause besucht, die kurz vor ihrer zweiten OP steht. Was sie über ihren Leidensweg mit Lipödem-Erkrankung sagt und warum sie ängstlich in Richtung Zukunft blickt, sehen Sie im Video.
Erst wenn es so richtig schlimm ist und die Betroffenen sich im dritten Krankheitsstadium befinden, übernehmen die Krankenkassen in der Regel die Kosten einer Lipödem-Operation. Eine Operation, die dafür sorgen soll, dass nicht nur die Schmerzen aufhören, sondern auch, dass die Betroffenen ein Stück Lebensqualität zurückbekommen. Doch bis dahin ist es meist ein langer und leidvoller Weg.
Viele Frauen bemerken bereits in der Pubertät, dass etwas nicht stimmt. Denn trotz Sport und gesunder Ernährung bilden sich Fettpolster an Beinen, Armen oder am Bauch und die betroffenen Stellen pulsieren, kribbeln oder schmerzen einfach nur. Zu den traditionellen Behandlungsmethoden zählen das Tragen einer Kompressionsstrumpfhose oder Lymphdrainagen, also medizinische Massagen. Bringen tun sie oft relativ wenig: Prof. Dr. Ulrich Wolters, ein Gefäßchirurg am Zentrum für Gefäßerkrankungen in Köln, erklärt, dass man aber eigentlich mit einer solchen "konservativen Therapie" beginnen müsse. Dazu gehören "Kompressionsmaßnahmen unterschiedlicher Ausprägungsstärke in Kombination mit Lymphdrainage." Aber: Nur 40 Prozent der Betroffenen reagieren darauf. Es gäbe etwa 60 Prozent "Therapieversager", bei denen Beine und Co. am Ende unverändert bleiben.
Die Frage ist nur: Wann habe ich einfach nur "kräftigere" Arme oder Beine und wann steckt wirklich eine Fettverteilungsstörung dahinter? Wolters sagt im RTL-Interview, dass das ein "schwieriges Problem" sei, da es noch viel Unwissenheit auf dem Gebiet Lipödem gibt. "Viele Patienten sehen als erstes eine Vermehrung des unteren Fettgewebes und versuchen dann alles, um dagegen zu steuern." Sie versuchen sich an Diäten und das Problem mit viel Sport in den Griff zu kriegen. Das führe laut dem Experten allerdings dazu, dass die Patientinnen irgendwann frustriert seien, "weil das Lipödem per Definition ja unabhängig ist von solchen Maßnahmen." Heißt: Man kann so viel Gemüse essen und sich im Fitnessstudio verausgaben wie man will – beim Lipödem bringt das leider herzlich wenig. Besonders frustrierend sei es, wenn man dann auch noch "gute Tipps" bekommt, wie zum Beispiel "Nimm endlich mal ab!" oder "Mach viel Sport!", so Wolters.
Wenn zu der Vermehrung des unteren Fettgewebes auch noch Berührungsempfindungsstörungen, Berührungsschmerzen, generelle Schmerzen zum Beispiel an den Beinen auftreten oder spontane Blutergüsse auftreten, dann solle man durchaus an die Fettverteilungsstörung denken, erklärt der Mediziner.
Der endgültige Ausweg – vor allem wenn die Kompressionsmaßnahmen nichts gebracht haben – ist dann meist nur noch die Operation, bei der das Fett abgesaugt wird. Dr. Wolters erzählt, dass sich aktuell noch eine Studie laufe, bis ins Jahr 2024, um zu schauen, wie es in Zukunft mit möglichen Behandlungsmethoden weitergehen könnte.
Dass die Krankenkassen die Patientinnen erst ab dem dritten Stadium finanziell unterstützen oder eine OP gänzlich bezahlen, sieht der Gefäßchirurg durchaus kritisch: "Ich meine, dass das Stadium 3 ja genau das Stadium ist, was es zu verhindern gilt. Denn das ist in der Regel therapieresistent oder nur durch sehr aufwändige plastische Operationen noch in den Griff zu kriegen. Insofern wäre es sinnvoller gewesen, früher einzugreifen oder zu sagen, im Stadium 1 oder 2 wird behandelt."