
Novak Djokovic nach Hause geschickt
Frankfurter Rundschau
Der Weltranglistenerste darf in Melbourne nicht aufschlagen. Und die Frage ist: Wo sonst darf der ungeimpfte Tennis-Star überhaupt noch spielen?
Am Ende gab es in diesem großen Schlamassel doch noch einen Gewinner, obwohl der in Wahrheit auch ein Verlierer war: Salvatore Caruso, ein 29-jähriger Italiener mit wohlklingendem Namen, war auf der Zielgeraden der ebenso unwahrscheinliche wie glückliche Lotteriesieger in der leidigen Novak Djokovic-Affäre. Im Qualifikationswettbewerb zu den Australian Open war der Tennis-Nobody von Weltranglistenplatz 150 ausgeschieden, doch als am Sonntagabend in Melbourne das finale Verdikt im Fall Djokovic gegen den amtierenden Titelverteidiger gesprochen war, fand sich Signore Caruso als Lucky Loser auf einmal im Hauptfeld des millionenschweren Grand Slam-Spektakels –jäher Profiteur des vom Fünften Kontinent verbannten Weltranglistenersten, der unter Direktion der australischen Bundespolizei zum Flughafen gebracht wurde und in einer Emirates-Maschine in Richtung Dubai sein langjähriges Tennisparadies verlassen musste.
Der letzte Akt der anderthalbwöchigen Saga um Djokovics Einreise zu den Australian Open 2022 war zuvor am Sonntag um 17.45 Uhr vor einem Bundesgericht in Melbourne zu Ende gegangen – in jenem Moment, als der Vorsitzende Richter James Allsop (68) verkündete, dass Djokovics Einspruch gegen den zweiten Entzug seines Visums durch das Einwanderungsministerium von dem dreiköpfigen Richtergremium abgewiesen worden sei. Eine detailliertere Begründung für diese Entscheidung stellte das Bundesgericht frühestens für Montag in Aussicht. Die Entscheidung des Ministeriums sei aber nicht ungesetzlich gewesen, erklärte „Chief Justice“ Allsop, nur darum sei es gegangen: „Es ist nicht unsere Rolle zu urteilen, ob die Entscheidung der Exekutive klug war.“ Australiens Einwanderungsminister Alex Hawke hatte sein Vorgehen primär damit begründet, ein Aufenthalt Djokovics im Land und seine Teilnahme an den Australian Open könnten eine Anti-Impfstimmung befördern, der Serbe sei mittlerweile zu einer Ikone der Impfgegner geworden.
Ganz so, als hätten er und seine Anwälte schon mit der juristischen Niederlage und der fälligen Abschiebung aus Australien gerechnet, verkündete Djokovic beinahe umgehend nach dem Urteil ein erstes Statement. Er sei „extrem enttäuscht“ über die Entscheidung, gab der 34-jährige Championspieler zu Protokoll. Zudem fühle er sich unwohl bei dem Gedanken, „dass ich der Fokus der vergangenen Wochen gewesen bin: „Ich hoffe, dass wir uns nun alle auf das Spiel und das Turniere, das ich liebe, konzentrieren können.“ Er werde sich jetzt „Zeit nehmen, um mich auszuruhen und zu erholen.“
Leichter wird es für Djokovic in den nächsten Wochen allerdings nicht: Denn bei den großen Turnieren im Frühjahr, also den Topevents in Indian Wells und Miami, können nur geimpfte Spieler an den Start gehen. Auch im weiteren Verlauf der Saison dürfte Djokovic, der Nummer eins-Akteur seines Sports, vor großen Hürden stehen, wenn er weiter eine Impfung gegen das Corona-Virus ablehnt. Die ATP Tour, die globale Spielerorganisation, hatte bereits im November alle Spieler darauf hingewiesen, dass sie ohne Impfung in der Saison 2022 vor erheblichen Schwierigkeiten stehen würden – bis hin zu einer Startverweigerung bei den meisten Wettbewerben. Allerdings sind nach Angaben der ATP 97 Prozent der Spieler geimpft, hätte Djokovic vor Gericht gesiegt, wäre er offenbar der einzige ungeimpfte Spieler im Wettbewerb gewesen.
Djokovic war vor knapp zwei Wochen am Tullamarina Airport in Melbourne – mit einer Emirates-Maschine aus Dubai ankommend – von Grenzbeamten der Bundesregierung das Einreisevisum verwehrt worden. Eine Ausnahmegenehmigung, die ihm eine medizinische Expertenkommission auch vom Bundesstaat Victoria ausgestellt hatte, wurde nicht anerkannt. Später wurde deutlich, dass Djokovic sich bei der Sonderzulassung auf eine überstandene Virusinfektion am 16. Dezember 2021 berief. In einem ersten Gerichtsverfahren bekam Djokovic Recht, allerdings nur aus formalen Gründen – weil ihm die Grenzschützer nicht ausreichend Zeit gegeben hatten, den Fall etwa mit seinen Anwälten zu besprechen. So konnte er auch das eher schmucklose Abschiebehotel in Melbournes Stadtteil Carlton verlassen.