
"Not my King": Leiser Protest im trauernden Großbritannien
DW
Die Mehrheit der Briten stützt den König. Doch es gibt trotz Trauer um die Queen auch Proteste gegen Charles III. Anti-Royalisten melden sich auch im Commonwealth. Aus London Bernd Riegert.
Hunderttausende stehen Schlange, um den Sarg der von Königin Elizabeth II. zu sehen. Zehntausende Menschen legen täglich am Buckingham Palace, in Windsor Castle und an anderen Palästen der Royals im ganzen Land Blumen nieder. Die Kondolenzbücher füllen sich mit herzergreifenden Geschichten über Begegnungen mit der verstorbenen Königin. Ihr Sohn und Nachfolger, König Charles III., bereiste derweil alle vier Nationen seines Vereinigten Königreichs, Schottland, England, Wales und Nordirland. Überall wurde er zum König ausgerufen, hielt er Reden, wurde er geehrt mit viel militärischem Pomp und der Nationalhymne "God save the King". Doch trauert wirklich ganz Großbritannien und Nordirland und wünschen sich alle einen neuen Windsor als Staatsoberhaupt?
In Edinburgh, Cardiff und auch London gab es ganz vereinzelt leisen Protest gegen den neuen König. Die Polizei verhaftete in Schottland zum Beispiel Simon Hill, weil der dem König zugerufen hatte: "Wer hat Sie gewählt?" Inzwischen hat die Polizeiführung eingeräumt, dass solche Verhaftungen wohl nicht gerechtfertigt waren und jeder natürlich das Recht habe, seine Meinung zu äußern und zu protestieren, auch während eines Wechsels an der Spitze der Monarchie.
Der Anwalt Paul Powlesland aus London setzt sich für die Protestler und für die Meinungsfreiheit ein. Er stellte sich selbst vor das Parlamentsgebäude, als Charles zum König proklamiert wurde, und hielt nur ein leeres weißes Blatt Papier in die Höhe. Auch ihm drohte ein Polizist nach ein paar Minuten Arrest an, sollte er etwas Despektierliches, Anti-Royales auf seinen Zettel schreiben. Paul Powlesland löste mit seiner Aktion eine Debatte über Meinungsfreiheit in Großbritannien aus, das sich nicht nur als Erfinderin der konstitutionellen Monarchie, sondern auch als Mutterland der Demokratie feiert.
"Letzte Woche war ich zwar wie viele Briten intellektuell gegen die Monarchie eingestellt, aber ich mochte die Queen sehr und habe mich deshalb nicht engagiert. Aber was ich in diesen Tagen erlebt habe, hat mich in einen Republikaner verwandelt", sagt Powlesland im Gespräch mit der DW. "Ich möchte nicht, dass Charles mein König ist. Ich glaube nicht mehr an die Monarchie." Diesen Glauben könnten noch mehr Briten verlieren, denn laut einer Meinungsumfrage vom Frühjahr 2022 waren 22 Prozent der Menschen für eine Abschaffung der Monarchie, spätestens sobald Elizabeth II. das Zeitliche segnet. Unter den jungen Leuten lag der Anteil bei mehr als einem Drittel.
König Charles III.und seine mit Skandalen beschäftigte Familie würde noch viel Gegenwind bekommen, jetzt wo die Queen nicht mehr sei. Davon ist Graham Smith überzeugt. Er ist Sprecher von "Republic", einer antimonarchistischen Lobbygruppe, die nach eigenen Angaben 80.000 Unterstützer hat. "Charles wurde König ohne Zustimmung, Diskussion oder Debatte. Das ist einfach automatisch passiert. Es gibt keinen Versuch, eine ernsthafte Debatte zu führen. Das ist völlig falsch", sagte Graham Smith der DW. "Republic" wirft Charles vor, persönlich nicht für die Aufgaben eines Staatsoberhauptes fit zu sein. Der ganze royale Familienbetrieb sei außerdem viel zu teuer und Geldverschwendung für die britischen Steuerzahler.