Nordmazedonien: Nach Misshandlungen auf ihr Gesicht uriniert
DW
Die Täter misshandelten Mirsa J. und urinierten auf ihr Gesicht - vor den Augen ihrer zwei Kinder. Die Familie floh aus Nordmazedonien nach Deutschland: Doch hier droht ihnen die Abschiebung.
Er hat seine Ellenbogen auf den Tisch gestützt und verbirgt sein Gesicht in den Händen. Er weint. Immer wieder zieht er die Brille ab, drückt seine Hände gegen die Stirn, als hätte er einen stechenden Kopfschmerz. Selim J. ist müde und verzweifelt. Seit Wochen haben er und seine Ehefrau Mirsa nicht mehr richtig geschlafen. Zu groß ist die Angst, dass die Polizei nachts kommt, um sie abzuschieben.
Erst vor drei Tagen hörte die Familie, es gebe einen Abschiebeflug nach Nordmazedonien. Sie bangten die ganze Nacht, denn dann finden die meisten Abschiebungen statt. Der 43-Jährige sagt, er wisse nicht mehr, was er tun solle. Selim ist zwar Mazedonier, aber seine Frau mazedonische Romni - und damit seien auch seine Kinder Roma. Deswegen drohten der Familie Diskriminierung und rassistische Angriffe in der Heimat.
Wir befinden uns im vorläufigen Zuhause der Familie am Rand von Braunschweig. Eine Flüchtlingsunterkunft. Wir sitzen in einem etwa dreizehn Quadratmeter großen Zimmer: Küche, Wohnzimmer und Spielzimmer in einem. Nicht wohnlich, einfach gehalten. Keine Fotos, keine persönlichen Gegenstände. Alles sieht nach Übergang aus.
Wir sind vorsichtig, zurückhaltend. Mirsa wollte zuerst nicht mit uns reden. Sie sagte, sie schaffe es psychisch nicht, schäme sich, habe Angst vor den Tätern. Dann sagte sie doch zu. Die Bedingung: Keine Klarnamen (die Namen wurden geändert - Anm. d. Red.), keine Gesichter im Video. Aber vor Ort spricht zunächst nur ihr Mann mit uns. Es dauert mehrere Stunden, bis Mirsa uns vertraut.
"Vor einigen Tagen hatte ich nicht einmal Kraft, zu kochen oder mich um meine Kinder zu kümmern. Mein Mann übernahm alle Aufgaben." Mirsa ist erst vor wenigen Wochen aus der Psychiatrie entlassen worden. Dort diagnostizierten die Ärzte eine schwere Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung.