Neues Probieren gibt dem Leben Sinn
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Oft entscheiden Kleinigkeiten, ob ein Essen gut, besser oder grandios schmeckt. Hans Gerlach verrät dafür seine überraschend einfachen Entdeckungen. Selbst der Weg zu einem tollen Essen ist voller Genuss: "Mit den Fingern sehen, mit den Ohren kochen, mit der Nase würzen. Probieren Sie es doch mal aus!"
Waren Sie als Kind auch so mäklig wie ich? Meine Güte, was habe ich meiner Mutter alles zugemutet! Ich war spindeldürr, aber quietschfidel und fit wie ein Turnschuh. Das hat sich längst geändert ... also: Quietschfidel bin ich immer noch! Essen war nicht so mein Ding, auch das ist mit den Jahren anders geworden. Die Sorgen meiner Mutter, ob das Kind auch genug und vor allem gesund genug isst, sind wohl auch heutzutage die Sorgen vieler Mütter und Väter. Doch das Leben zeigt: Es renkt sich (meistens) alles ein. Mit wachsender Neugier auf Unbekanntes wächst auch das Interesse am Essen. So war es auch bei Klein-Heidi. Ich habe immer noch die Worte (zwischen verzweifelt und genervt) meiner Mama im Ohr: "Probier doch wenigstens mal!" Weit gefehlt. Heute ist vor meiner Probierlust kaum noch ein Nahrungsmittel sicher. Und falls dann etwas nicht mein Wohlgefallen findet, was ja auch immer wieder mal vorkommt, hatte ich es wenigstens probiert.
Genau das ist auch das Anliegen von Hans Gerlach: Probier doch mal! Seit Jahren kommen die Fans seiner Online-Food-Kolumne im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" in den Genuss seiner Kreationen, Kochtechniken und Entdeckungen, die unser Essen stets besser, schöner, genussvoller und gleichzeitig nachhaltiger machen. Der Brandstätter Verlag hat nun unter identischem Titel "Probier doch mal" ein Buch mit den besten Rezepten aus dem SZ-Magazin sowie bisher unveröffentlichten Rezepten herausgebracht. So ist ein Koch- und Lesebuch mit praktischen Tricks und Kniffen, vielen Zusatzvideos per QR-Codes, pointierter Warenkunde und ganz vielen persönlichen Erfahrungen und Geschichten rund ums Essen entstanden. Die Rezepte sind zumeist einfach, mitunter benötigen sie etwas mehr Zeit und Hingabe, doch alle sind sie frisch, modern und möglichst nachhaltig. Manche Rezepte sind regelrecht kleine Projekte, die vermutlich nicht sofort zum täglichen Ritual werden. Doch sie ermöglichen laut Gerlach gute Erfahrungen mit allen Sinnen.
Mit einer Einleitung hält sich der Autor nicht lange auf, sein Vorwort passt auf eine Seite und umfasst dennoch alle Seiten seines Anliegens: "Unsere Ernährung soll nicht nur unser persönliches Glück und unsere Gesundheit, sondern auch die unseres Planeten fördern. 'Planetary Health' spielt immer eine Rolle, wenn wir essen. Die wunderbare Welt der Gemüse ist deshalb der Ausgangspunkt für den weitaus größten Teil meiner Rezepte", heißt es da. Zutaten werden bei Gerlach möglichst komplett verwendet - entgegen jeglichem "Resteverwertungs-Blabla" wie einem aufgehübschten Pesto aus Radieschenblättern: "... mit viel Olivenöl und Parmesan schmeckt alles gut, sogar Radieschenblätter". Bei Gerlachs Upcycling statt wegwerfen und bestenfalls sammeln fürs Recycling bin ich aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen. Falls Sie wie ich Wassermelonen lieben, haben Sie sicherlich immer einen Haufen "Müll", nämlich die Schalen, auf dem Tisch zu liegen. Weg damit in die Biotonne! Nach dem Lesen dieses Buches werden Sie sich das überlegen, denn Gerlach fermentiert Wassermelonenschalen zu köstlichem Kimchi. Auch ich kenne von Kimchi nur die koreanische Variante, die der Autor "eine Art überkrasses Sauerkraut" nennt. "Schmeckt super, aber auch ein bisschen brachial." Genau. Aus diesem Grund verhalte ich mich bei Kimchi immer vorsichtig. Sehr vorsichtig! Aber das könnte sich ja nun ändern. Und wenn mal wieder zu viele Reste im Gemüsefach des Kühlschranks herumlungern - dafür hält Gerlach sein Rezept "Kimchi mit Fenchel, Pfirsich und Kohlrabi" bereit.