Neue Partei vorgestellt: So ähnlich ticken die „Letzte Generation“ und Sahra Wagenknecht
Frankfurter Rundschau
Sahra Wagenknecht wird eine Partei gründen. Findet die „Letzte Generation“ damit eine politische Heimat? Es gibt jedenfalls Schnittstellen.
Berlin – Es ist 8:12 Uhr an diesem Montagmorgen, als die die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ eine Pressemitteilung verschicken. Man werde heute vier prominente Universitätsgebäude mit Farbe besprühen. Welche das sind, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Später wird die Glasfassade des Audimax der Universität Hamburg mit oranger Farbe bespritzt. Dabei sitzt der Adressat der Aktion nicht in Hamburg, sondern in Berlin. „Herr Scholz, Sie betonen ja immer, wie wichtig ihnen Respekt ist! Also ich finde es ziemlich respektlos von Ihnen, meine Generation in eine Welt hineinzuführen, die um so vieles schlechter ist als die, die Sie einmal vorgefunden haben“, sagte einer der Aktivisten.
Einige Minuten später tritt Sahra Wagenknecht auf die Bühne der Bundespressekonferenz in Berlin. Die einstige Fraktionsvorsitzende und neun weitere Getreue verkünden ihren Austritt aus der Linken. Mit einer neuen Partei, die aus dem Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) Anfang des kommenden Jahres hervorgehen soll, will die 54-Jährige künftig bei Wahlen antreten. Auch Wagenknecht richtet sich an Scholz‘ Regierung. Sie kritisiert die Ampel-Koalition erneut scharf, die Deutschland schlecht regiere. Man mache Politik gegen die Bürgerinnen und Bürger. Ein Narrativ, das auch die „Letzte Generation“ vertritt.
Radikal, autoritär, populistisch: Es sind Attribute, die man in beiden Lagern kennt. Wächst da also womöglich zusammen, was zusammengehört? Immerhin gibt es Schnittstellen bei zentralen politischen Forderungen. Da geht es zum Beispiel um Umverteilung, Erbschafts- und Vermögenssteuer, wie Wagenknecht ausführte. Auch die „Letzte Generation“ zielt auf die „Symbole des modernen Reichtums“ ab und will die „Aufmerksamkeit auf die rücksichtslose Verschwendung der Reichen lenken“, heißt es im „Sommerplan 2023“ der Gruppe. Die Folge: beschmierte Yachten, Privatflugzeuge, Luxusgeschäfte und -hotels. Beide Gruppen betonen, dass es um die obszönen Auswüchse von Reichtum gehen soll, nicht um Einfamilienhäuser.
Sahra Wagenknecht ist bislang nicht wirklich überzeugt von dem, was die „Letzte Generation“ tut. Zu deren Protesten sagte sie der Welt im letzten November, dass das Verhalten der Aktivisten „destruktiv“ sei. „Vor der Grünen-Zentrale kann man sich ankleben, aber bitte nicht auf Autobahnen“, so Wagenknecht. Dass die Grünen die Klimaprobleme nicht lösen, sehen sowohl BSW als auch „Letzte Generation“ so. Denn auch die Klimaaktivisten haben in der Partei keine Heimat gefunden, wie sie immer wieder beteuern.
Dass die „Letzte Generation“ selbst eine Partei gründet, ist immer wieder diskutiert worden, bisher ohne belastbares Ergebnis. „Eine Partei erfolgreich zu etablieren, dauert sehr lange. Das passt nicht mit dem Hauptargument der ‚Letzten Generation‘ zusammen, wonach die Zeit in der Klimakrise extrem drängt. Für den langen Marsch durch die Institutionen ist es dann zu spät“, sagte Protestforscherin Dalilah Shemia-Goeke unserer Redaktion im April.