Neue Klimaklage in Karlsruhe
Süddeutsche Zeitung
Im vorigen Jahr erzwang ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts schärfere Gesetze im Kampf gegen die Erderhitzung. Doch neun jungen Klägern gehen sie nicht weit genug.
Die Revolution vor Gericht ist noch kein Jahr her. Über vier Verfassungsbeschwerden hatten die Richter in Karlsruhe seinerzeit entschieden, und das in einem Wahljahr: Die "teils noch sehr jungen Beschwerdeführer" seien in ihren Freiheitsrechten verletzt, denn die Ziele des Bundes seien zu lax. In Windeseile änderte die große Koalition seinerzeit das Klimaschutzgesetz, an allen Ecken und Enden wurde es verschärft. Aber ist es nun scharf genug?
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Mit dieser Frage darf sich das Bundesverfassungsgericht als Nächstes befassen. Denn am Mittwoch reichen neun abermals sehr junge Menschen die nächste Beschwerde ein, unterstützt von der Deutschen Umwelthilfe. Durch das verschärfte Klimaschutzgesetz, so argumentiert die 162-seitige Begründung, würden die Emissionen bis 2030 nur um rund 6,5 Prozent vermindert. Zudem habe sich die Sachlage "entscheidend verändert", seit ein neuer Teilbericht des Weltklimarats IPCC prognostizierte, der Klimawandel werde sich schneller und folgenschwerer vollziehen als bisher angenommen. "Wir wollen die Politik dazu verpflichten, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt", sagt der 19-jährige Gustav Strunz, einer der Beschwerdeführer.
Eingereicht hat die Beschwerde der Berliner Umweltrechtler Remo Klinger, der schon diverse Verfahren für die Umwelthilfe ausgefochten hat, unter anderem zu Fahrverboten in Innenstädten. Er argumentiert vor allem mit dem verbleibenden Budget an Treibhausgas-Emissionen, das Deutschland rein rechnerisch noch zustünde. Darauf hatten sich seinerzeit auch die Karlsruher Richter gestützt. Das novellierte Klimaschutzgesetz aber werde dem nicht gerecht. "Die Zahlen darin entspringen politischer Opportunität", sagt Klinger. Er hofft auf ein Urteil noch bis Februar 2023. Dann geht die zuständige Berichterstatterin in den Ruhestand; sie hatte auch die letzte Klimaklage betreut. "Karlsruhe", da ist sich Klinger sicher, "muss das Rad nicht neu erfinden."