
Neu in der ARD: Deutschland hat den „Salon Simonetti“ gebraucht
Frankfurter Rundschau
Der Bedarf in Fernseh-Deutschland war ohne Zweifel vorhanden. Nun ist er endlich da: der „Salon Simonetti“!
Frankfurt am Main – Im Ersten und im WDR präsentiert der Autor und Entertainer Riccardo Simonetti („ZDF-Fernsehgarten“, „Wer stiehlt mir die Show?“) eine neue Talkshow, in der der Berchtesgadener als klassischer Moderator auftritt. Er tut deutschen Talkmaster:innen-Riege gut.
Simonetti präsentiert dem TV-Publikum eine Sendung, in der nach eigener Aussage „Haltung auf Unterhaltung“ trifft. Ziel sei es, Themen ins Fernsehen zu bringen, die Simonetti „als schwuler Junge auf dem Land gerne gesehen hätte“. Und so dreht sich der Talk in der ersten Folge des „Salon Simonetti“ in der ARD um das Thema „Ich“. Die weiteren Folgen werden mit „Liebe“, „Mut“, „Familie“ überschrieben sein. Themen, die in der deutschen Medienlandschaft in den vergangenen Jahren zwar immer diverser diskutiert wurden, die aber doch deutlich häufiger von cis-hetero als von queeren Personen präsentiert werden. Im „Salon Simonetti“ eröffnet sich nun ein Raum, in den Gastgeber ausschließlich queere Menschen eingeladen hat.
Der Talk dreht sich insbesondere um die Frage des Daseins mit einem „Ich“, das nicht mit der Selbstidentifizierung einer Mehrheit der heteronormativ geprägten Gesellschaft und ihren Geschlechtsidentitäten und Wertvorstellungen übereinstimmt. Um dies näher zu beleuchten, hat sich Riccardo Simonetti die Comedy-Ikone Thomas Hermanns eingeladen. Mit von der Partie ist außerdem Alex Mariah Peter, die als erste trans Frau den Wettbewerb „Germanys Next Topmodel“ für sich entscheiden konnte. Hermanns fragt: „Gibt es nur ein ich? Beziehungsweise wie viele Ichs kann ich sein?“
Riccardo Simonettis herauszuhebende Leistung als Talkmaster lässt sich daran bemessen, dass er es vermag, seinen Gästen auf Augenhöhe zu begegnen. Der Gastgeber ist gut informiert, lässt im Gespräch gekonnt seinen Gästen Raum und ist in keinem Moment seiner Show darauf bedacht, sich selbst darzustellen oder seinen Standpunkt in die Höhe zu preisen. Zugegebener Maßen: Dafür geben ihm seine Gäste auch keinen Grund, da das Thema des Abends nicht kontrovers diskutiert wird. Umso mehr ist Simonettis Performance als Moderator zu schätzen, der eine produktive Einigkeit der drei Protagonisten des „Salon Simonetti“ erschafft, die sich jedoch nicht in gegenseitiger Beweihräucherung erschöpft, sondern sachliche Tiefe in der Sache und Verständnis für das Thema befördert.
So erhalten die Zuschauer:innen authentische Einblicke in die Lebensgeschichten von Thomas Hermanns und Alex Mariah Peter. Insbesondere Peters Bericht über ihre Outings vom bisexuellen über den homosexuellen Jungen bis hin zur trans Frau ist bemerkenswert. „Es ist nicht despektierlich gemeint, dass schwule Männer es einfacher haben. Für mich hat es sich aber leichter angefühlt ein schwuler Junge als eine transsexuelle Frau zu sein“, konstatiert Alex Mariah Peter und betont: „Mir ist es wichtig, dass die Menschen verstehen, dass es keine Wahl ist. Wenn ich mich entscheiden könnte, würde ich mich dafür entscheiden cis zu sein, weil es einfach leichter ist.“ Die Gesprächsrunde im „Salon Simonetti“ macht es leicht, nachzuvollziehen, dass unsere Gesellschaft es den Menschen erschwert, sich als trans zu outen.