
Nepal: Armen Mädchen droht die Zwangsheirat -die „singende Nonne“ kämpft dagegen an
Frankfurter Rundschau
Mädchen aus armen Familien in Nepal haben kaum eine Chance auf Bildung, vielen droht die Zwangsheirat – es sei denn, sie werden Schülerinnen der „singenden Nonne“ Ani Choying Drolma.
Kathmandu - Das Leben der Schwestern Pema und Dolma schien vorgezeichnet. Als Kinder würden sie Ziegen und Yaks hüten. Mit 16 oder 17 würden sie heiraten, ein Jahr später ein Kind auf den schmalen Hüften tragen und Hausfrauen sein, ihrem Mann untertan, so wie ihre Mutter. Überraschend kam es anders. Wie jeden Tag waren die fünfjährige Pema und die vier Jahre alte Dolma bei den Tieren, als eine Frau auftauchte. Sie war zu Fuß über Bergpfade gekommen, denn es führt keine Straße nach Pungkag im Himalaya-Distrikt Dolpa.
Schon vier Töchter hatte die Mutter von Pema und Dolma bekommen, aber keinen Sohn: eine Prüfung. Doch nun bot sich die Chance auf Ehre und zwei hungrige Münder weniger. Der Vater erklärte seinen beiden jüngsten Töchtern, die fremde Frau sei ihre Tante. Sie würde sie in die große Stadt mitnehmen. Eine Schule habe sich bereit erklärt, die beiden kleinen Mädchen aufzunehmen. Sie würden Nonnen werden.
Drei Tage lang wanderten sie. Die Tante trug die kleinen Mädchen abwechselnd auf dem Rücken. Nach zwei weiteren Tagen im Bus erreichten sie die Hauptstadt Kathmandu. Dolma blieb für ein Jahr bei der Tante, denn die Schuldirektorin wollte keine Vierjährige aufnehmen. Aber Pema kam sofort nach Parphing, einem Vorort, in die „Arya Tara School“. Dort rasierten ihr einige ältere Schülerinnen den Kopf. Die ersten Regentropfen, die darauf platzten, fühlten sich an wie Hagelkörner. So wurde Pema die jüngste von 60 Nonnen.