
Nations-League-Finale: Spannender als ein Tatort
Frankfurter Rundschau
Wenn wirklich die besten Nationalteams mit den echten Stars aufeinandertreffen, kommen tolle Spielfilme zustande. Ein Kommentar zur Nations League.
Es muss schon einiges passieren, dass der für Millionen Bundesbürger heilige Tatort von seinem angestammten Sendeplatz der ARD verschwindet. Bundestagswahlen und Flutkatastrophen gehören dazu, Fußball-Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele auch. Aber ein Finale der Nations League? Dazu ohne deutsche Beteiligung? Doch jetzt am Sonntag läuft im Ersten kein Krimi, sondern das Duell der Kicker von Frankreich und Spanien. Übertragungsbeginn 20.15 Uhr. Anstoß 20.45 Uhr. Und im weiteren Abendprogramm folgt kein Polit-Talk, sondern ein Sportschau-Thema zu Olympia in Peking und der WM in Katar.
So mancher Fußballfreund erfährt vielleicht erst jetzt von einem 2018 eingeführten Wettbewerb, bei dem selbst schlaue Nationalspieler wie Thomas Müller noch immer achselzuckend reagieren. Wie wichtig sollen und wollen wir das nehmen? Ohne Tradition aus dem Boden gestampft, um den Verbänden die Last der schwer zu vermarktenden Freundschaftsspiele zu nehmen. Die von der europäischen Dachorganisation Uefa garantierten Millionen-Einnahmen sind für mittelgroße und kleinere Länder längst existenziell, erst recht in der Corona-Krise. Trotzdem bleibt die Nations League fragwürdig. Vor allem, wenn im Juni 2022 eigentlich schon mitten in der Sommerpause die nächsten vier Nations-League-Partien durchgepeitscht werden. Noch mal Thomas Müller: „Ich habe tatsächlich gedacht, dass ich den Juni frei habe.“ Nein, hat er nicht.
Deshalb ist es ziemlich heuchlerisch, dass die Uefa zwar sich einerseits völlig berechtigt gegen die Expansionspläne der Fifa stellt, eine WM alle zwei Jahre ausrichten zu wollen, aber andererseits einen zur Erholung dienenden Sommer mit ihren Terminen vollpackt. Es gibt gleich noch einen Widerspruch: Man kann diese Nations League für sportlich verzichtbar halten, aber wer in die Halbfinal-Streams zwischen Italien und Spanien (0:2) sowie Belgien und Frankreich (2:3) reingezappt hat, der konnte eigentlich gar nicht wieder abschalten. Hochklassiger Sport. Irres Tempo. Super Technik. Wahnwitzige Wendungen.