Natela Dzalamidze: in Wimbledon unter neuer Flagge
DW
Noch vor der Wimbledon-Sperre russischer und weißrussischer Profis hat die gebürtige Russin Natela Dzalamidze ihre Nationalität gewechselt. Sie spielt nun für Georgien. Eine Entscheidung, die sie gegen Kritik verteidigt.
Natela Dzalamidze ist extra etwas früher als üblich auf der Anlage des "All England Lawn Tennis and Croquet Club" erschienen. Für das Gespräch mit der DW möchte sich die 29-jährige Doppelspezialistin vor ihren beiden folgenden Trainingseinheiten am Nachmittag und Abend auf der Trainingsanlage im Aorangi Park in Wimbledon nochmal Zeit nehmen. Die auf ihre Person gerichtete Aufmerksamkeit ist in den Tagen vor dem Start des prestigeträchtigen Tennisturniers der Welt für die Nummer 45 der Weltrangliste ungewohnt groß geworden.
Denn Dzalamidze startet bei internationalen Tennisturnieren ab sofort nicht mehr für Russland, das Geburtsland ihrer Mutter, sondern für Georgien, das Heimatland ihres Vaters. Damit umgeht sie den Ausschluss russischer und weißrussischer Spielerinnen und Spieler beim diesjährigen Wimbledonturnier. In London wird sie an der Seite ihrer Doppelpartnerin, der Serbin Alexsandra Krunic, aufschlagen. "Ich habe die Entscheidung getroffen, weil ich mich auf meine Karriere konzentrieren und die Chance haben möchte, bei den Olympischen Spielen teilzunehmen", begründete Dzalamidze ihren kurzfristigen Nationenwechsel vor einigen Tagen gegenüber in der englischen Zeitung "The Times".
Die Athletin aus St. Petersburg hatte den Prozess des Nationenwechsels nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und noch vor der Ausschluss-Entscheidung der Turnierorganisation in Wimbledon gestartet. Sie besitzt seit sechs Jahren neben dem russischen auch einen georgischen Pass und hat sich - das betont sie im Gespräch - dabei an alle Regeln gehalten. Die WTA bestätigte den Wechsel am 6. Juni - eine Woche vor der Meldefrist für Wimbledon. Auf der Teilnehmerliste taucht sie bereits unter ihrem neuen Länderkürzel auf. Die Entscheidung der Spielerin und der Zeitpunkt des Wechsels in einem sportpolitisch für alle Seiten sehr sensiblen Zeitfenster polarisiert dennoch.
Bei den meisten Sportveranstaltungen sind russische und weißrussische Athleten und Athletinnen derzeit gesperrt. Die Verantwortlichen der Profitouren bei Herren und Damen im Tennis, die ATP- und WTA-Tour, sehen ihre Spieler allerdings weniger als Vertreter der Regierungen ihrer Länder, sondern eher als selbstständige Unternehmer. Sie entschieden daher rasch, dass die betroffenen Sportlerinnen an den Events unter neutraler Flagge teilnehmen dürfen.
Allerdings gehören die vier Grand-Slam-Turniere nicht der ATP- und WTA-Tour an. Die Organisatoren von Wimbledon agierten beim Ausschluss, wie aus England zu hören war, sehr eng in Abstimmung mit der britischen Regierung. Um weitere Präzedenzfälle zu verhindern, entschieden ATP und WTA, dass beim prestigeträchtigsten Turnier des Jahres keine Weltranglistenpunkte vergeben werden. Seitdem kocht es hinter den Kulissen und jede Entscheidung, wie dieser Nationenwechsel, wird argwöhnisch begutachtet.