Natasha Brown „Zusammenkunft“: Ihr war schlecht vom Durchhalten
Frankfurter Rundschau
Über die diverse Welt und die, die das nicht mitbekommen haben: Natasha Browns „Zusammenkunft“ ist ein starkes Manifest, als Roman aber ein unerfülltes Versprechen.
Der Debütroman von Natasha Brown, „Zusammenkunft“, war in Großbritannien 2021 so erfolgreich, dass ihm das jetzt zur Last werden kann. Interessant natürlich, weil es darum im Buch auch geht. Um Erfolg, was er bringt, wem er zugestanden wird und wem nicht.
In einer Vignette wird die Frau am Flughafen zum „normalen Check-in“ zurückgeschickt, der Flughafen-Angestellte will ihre Buchung gar nicht sehen, er ist sich dermaßen sicher, dass sie nicht an den Business-Schalter gehört. Oder: Als die Frau befördert wird, holt ein Kollege dann doch einmal aus. „Er sagt, dass er nichts gegen Diversität hat. Er will einfach nur Gerechtigkeit, okay?“ Und nachher noch einmal: „,Scheißquoten!‘“ Oder hier noch eine übliche Frage: „Nein, ich meine ursprünglich. Also deine Eltern, wo die herkommen. Afrika, oder?“
Die Britin Natasha Brown hat in Cambridge Mathematik studiert und im Finanzsektor in London gearbeitet wie die namenlos bleibende Ich-Erzählerin. „Die Finanzindustrie war der einzige gangbare Weg nach oben.“ Sie hat es insofern geschafft, arbeitet hart, steckt die krass unsubtile sexuelle Belästigung durch den Kollegen Lou weg und hat einen Freund aus alter aristokratischer Familie, dessen Eltern seine Wahl huldvoll hinnehmen. „Seine Akzeptanz mir gegenüber verstärkt ihre. Seine Anwesenheit bürgt für meine, versichert ihnen, dass es sich bei mir um die richtige Art von Diversität handelt. Im Gegenzug verschaffe ich ihm eine gewisse liberale Glaubwürdigkeit. Nehme ihm etwas vom Handycap des alten Geldes. Garantiere seine Position links der Mitte.“ Die Mutter, selbst eine Aufsteigerin, ist skeptischer als der Vater, die Erzählerin registriert das so genau wie unter einer Lupe. Letztlich: „Alles ist ein Geschäft.“
Sie macht mit, so gut es eben geht und besser als das. Sie hält Vorträge an Schulen und Unis, „das ist Teil des Jobs. Die Diversität muss sichtbar sein. Wie viele Frauen und Mädchen habe ich angelogen? Wie viele haben mein grinsendes Gesicht werben sehen – für dieses oder jenes Unternehmen oder diese Branche, jene Uni, dieses Leben?“
Denn die Frau ist noch jung und doch zu Tode erschöpft. „Aber mir war schlecht vom Erreichen, vom Durchhalten. Vom Aufstieg.“ Der trotzdem nie genügt und dessen Dauerbegleiter die Angst ist. „Es gibt keinen Erfolg, nur das vorläufige Abwenden des Versagens.“ Dass sie zudem mit einer Krebsdiagnose konfrontiert ist und sich offenbar gegen die dringend erforderliche Operation entschieden hat – ihrem Freund erzählt sie, bei der Biopsie habe sich nichts ergeben –, wirkt in diesem Setting wie ein schauriger Ausweg. Der Tod als einzige Alternative. Das hat eine Wucht, aber auch eine Rätselhaftigkeit.