
Nasa-Weltraumteleskop „Hubble“ macht Rekord-Beobachtung – „Wir konnten es zuerst kaum glauben“
Frankfurter Rundschau
Das „Hubble“-Weltraumteleskop bricht seinen eigenen Rekord und entdeckt einen weit entfernten Stern – zu Hilfe kommen dabei astronomische Effekte.
Baltimore – Das Weltall ist eine faszinierende Angelegenheit: Schon die Sterne, die man mit bloßem Auge am Nachthimmel sehen kann, lassen die Beobachtenden in die Vergangenheit blicken. Je weiter ein Stern entfernt ist, desto länger dauert es, bis sein Licht die Erde erreicht. Das Licht des auffälligen Sterns Beteigeuze im Sternbild Orion etwa benötigt 642 Jahre, bis es ans menschliche Auge dringt. Es ist zu diesem Zeitpunkt also schon 642 Jahre alt – und die Beobachtenden blicken entsprechend weit in die Vergangenheit.
Teleskope blicken noch viel weiter in die Vergangenheit, aber auch für die meisten von ihnen ist es nahezu unmöglich, Sterne außerhalb unserer Galaxie aufzulösen. Dem „Hubble“-Weltraumteleskop von Nasa und Esa ist nun jedoch ein neuer Rekord gelungen, die Studie dazu wurde im Fachjournal Nature veröffentlicht. Das Teleskop hat den am weitesten entfernten, bisher beobachteten Stern entdeckt. Dessen Licht hat 12,9 Milliarden Jahre gebraucht, um auf der Erde anzukommen. Das Universum ist der gängigen Lehrmeinung zufolge 13,7 Milliarden Jahre alt. „Wenn wir in den Kosmos schauen, blicken wir auch in die Vergangenheit. Diese extrem hochauflösenden Beobachtungen ermöglichen es uns, die Bausteine einiger der allerersten Galaxien zu verstehen“, erklärt Victoria Strait, eine Mitautorin der Studie.
„Wir konnten es zuerst kaum glauben, denn er war so viel weiter entfernt als der bisher am weitesten entfernte Stern mit der höchsten Rotverschiebung“, erklärt der Astronom Brian Welch, der Hauptautor der Studie. Dem Stern hat das Team den Namen „Earendel“ (altenglisch „Morgenstern“) gegeben. Den Forschenden um Welch half auch ein glücklicher Zufall bei ihrer Rekord-Beobachtung. „Normalerweise sehen in diesen Entfernungen ganze Galaxien wie kleine Flecken aus, in denen sich das Licht von Millionen von Sternen vermischt“, so Welch. „Die Galaxie, die diesen Stern beherbergt, wurde durch Gravitationslinsen vergrößert und zu einer langen Sichel verzerrt, die wir Sunrise Arc genannt haben.“ Schließlich stellte sich heraus, dass ein Merkmal der Galaxie ein extrem vergrößerter Stern ist – Earendel. Eine Gravitationslinse ist beispielsweise eine Galaxie, die das Licht einer entfernten Quelle vergrößert.
„Es gibt eine seit langem bestehende theoretische Vorhersage, dass Sterne, die ausschließlich aus den Elementen bestehen, die kurz nach dem Urknall geschmiedet wurden - Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium - massereicher sein sollten als die Sterne, die heute entstehen“, erläutert das Teammitglied Erik Zackrisson von der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Uppsala in Schweden. „Diese Ursterne, die als Sterne der Population III bekannt sind, haben sich bisher den Beobachtern entzogen, könnten aber entdeckt werden, wenn sie, wie im Fall des Earendel-Objekts, durch Gravitationslinsen sehr stark vergrößert werden.“.
Die Helligkeit des Sterns wurde durch Gravitationslinsen tausende Male vergrößert, so die Forschenden. Trotzdem können die Astronom:innen derzeit nicht herausfinden, ob es sich bei Earendel um einen Doppelstern handelt – die meisten massiven Sterne haben einen kleineren Begleitstern. Da Earendel für mehrere Jahre durch Gravitationslinsen vergrößert bleiben wird, werden nun weitere Beobachtungen des alten Sterns geplant. Das „James Webb“-Weltraumteleskop von Nasa, Esa und der kanadischen Raumfahrtagentur CSA soll später im Jahr seinen Blick auf den Stern richten. Die Instrumente des neuen Weltraumteleskops, das Ende 2021 ins Weltall gestartet ist und im Sommer einsatzbereit sein soll, funktionieren im Infrarotbereich und sollen den Forschenden helfen, mehr über Earendel herauszufinden.