Nach Rassismus-Skandal und Corona-Krise – Die Wiedergeburt der Whitney Biennale
Die Welt
Lange galt es als schick, die traditionsreiche New Yorker Whitney Biennale zu boykottieren. Rassismus-Vorwürfe folgten auf einen Sponsoren-Skandal auf die Corona-Krise. Aber jetzt kann unser Autor nur schwärmen. Über ein Werk haben er und sein innerer Anarchist sich besonders gefreut.
Die Whitney-Biennale des Jahres 2017 bescherte uns nicht nur Kunstgenuss, sondern gleich auch noch einen handfesten Skandal. Gezeigt wurde unter anderem ein Bild von Dana Schutz, das den malträtierten Leichnam des schwarzen Bürgerrechtlers Emmett Till in seinem Sarg zeigte. Die britische Künstlerin Hannah Black forderte damals in einem offenen Brief, das Bild müsse zerstört werden: Schutz, die weiß ist, habe nicht das Recht, ein solches Bild auszustellen. Bald schienen alle New Yorker (aber auch ihre sonst eher kunstfernen Verwandten in Kansas) eine Meinung zu dem Skandal zu haben: Handelte es sich hier um einen Akt von künstlerischer Leichenfledderei? Sollen Künstler allen Ernstes zur Zensur an anderen Künstlern aufrufen?
Zwei Jahre später folgte der nächste Skandal auf dem Fuße. Es kam nämlich heraus, dass im Aufsichtsrat des Whitney-Museums auch Warren Kenders saß, ein schwerreicher Mann, dessen Firma unter anderem Tränengas herstellt; und dieses Tränengas wurde damals an der mexikanischen Grenze gegen Flüchtlinge eingesetzt, auch Frauen, auch Kinder. Acht Künstlerinnen und Künstler entschlossen sich deshalb, ihre Beiträge von der Biennale zurückzuziehen; andere beschlossen zu bleiben — nach dem Motto: Soll doch Mr. Kenders gehen. (Er ist mittlerweile gegangen, und seine Firma stellt seit 2020 auch kein Tränengas mehr her.)