Morde an Putin-Gegnern: „Verräter verrecken in der Gosse“
Frankfurter Rundschau
Verbal macht Putin keinen Hehl aus seiner Reaktion auf Oppositionelle – real aber kann ihm keiner der mysteriösen Morde seiner bisherigen Herrschaft nachgewiesen werden. Eine Analyse von Frank Hölthohne.
Es sei naiv zu glauben, dass Putin irgendeine Art von Anstand besitze, schrieb Alexei Nawalny zum Absturz von Jewgenij Prigoschin. Aber selbst Putins Gerissenheit habe enge Grenzen. Sie reiche gerade aus, um ein Passagierflugzeug über Russland in die Luft zu jagen. Der darin sitzende Putin-Opponent Prigoschin ist ganz offenbar tot, am Sonntag behauptete das russische Ermittlungskomitee, man habe per DNA-Text nun den Beweis, dass der Oligarch an Bord der Maschine war.
Nawalny selbst hat einen Giftanschlag nur knapp überlebt, auch schon andere Gegnerinnen und Gegner des Putin-Regimes kamen durch zweifelhafte Umstände ums Leben. Und nicht nur Nawalny ist überzeugt, dass der Kreml dahintersteckt.
Anna Politkowskaja galt als eine der besten Reporterinnen Russlands, ihre Texte über Leid und Gewalt im zweiten Tschetschenienkrieg klagten die russische Armee ebenso an wie deren tschetschenische Hilfstruppen an. Tschetschenenchef Ramsan Kadyrow beschimpfte sie als Feindin. Sie selbst sagte 2006 in einem Interview, sie wolle Kadyrow ins Gefängnis bringen. Kurz darauf wurde sie im Treppenhaus ihres Moskauer Wohnhauses erschossen. Der Täter, ein junger Tschetschene, und auch mehrere Helfershelfer wurden vor Gericht gestellt. Aber die Auftraggeber fand man nicht.
Politkowskaja hatte Putin als Zyniker, Rassisten und Lügner kritisiert. Und ermordet wurde sie am 7. Oktober, ausgerechnet dem Geburtstag des Staatschefs.
Die Todesschüsse knallten demnach sehr signalträchtig: Seht ihr Schreiberlinge, was mit Euch geschieht, wenn ihr in unserer blutigen Wäsche wühlt! Gleichzeitig drängte sich der für seine Grausamkeit bekannte Kadyrow als Putins Leibrächer nach vorn: Putins Feinde sind auch meine Feinde. Und seht: Ich mache die Schmutzarbeit.