Minister-Rücktritte stürzen Johnson in tiefe Krise
ProSieben
Innerhalb von wenigen Minuten reichen gleich zwei britische Minister ihre Rücktritte ein. Doch das ist nicht alles. In ihrer Begründung greifen sie Premierminister Johnson direkt an.
Der britische Premierminister Boris Johnson kämpft nach dem Rücktritt von zwei wichtigen Ministern so stark wie nie zuvor um sein politisches Überleben. Begleitet von scharfer Kritik an dem Regierungschef legten am Dienstag zunächst Gesundheitsminister Sajid Javid und nur Minuten später auch Finanzminister Rishi Sunak ihre Ämter nieder. Beide nahmen dabei vor allem den Führungsstil des 58-Jährigen ins Visier. Damit ist das Land in eine schwere Regierungskrise gestürzt.
Der Premier habe trotz aller Kritik keinen Kurswandel eingeleitet, betonte Javid in seinem am Abend veröffentlichten Rücktrittsschreiben. "Mir ist klar, dass sich diese Situation unter Ihrer Führung nicht ändern wird." Sunak schrieb, sein Ansatz und Johnsons seien "zu unterschiedlich". Mehrere konservative Abgeordnete lobten die Politiker für ihre Haltung.
Zwar versicherten umgehend zahlreiche andere Kabinettsmitglieder wie Vizepremier und Justizminister Dominic Raab oder Außenministerin Liz Truss dem Premier ihre Unterstützung. Zudem gilt Johnson als Stehaufmännchen, hat mehrere Skandale überlebt. Aber die Stimmung innerhalb seiner Konservativen Partei ist am Boden. Der Premier müsse zurücktreten, sagte ein Kabinettsmitglied dem Sender Sky News.
Die Opposition frohlockte. "Nach all dem Schmutz, den Skandalen und dem Versagen steht fest, dass diese Regierung jetzt zusammenbricht", sagte Labour-Parteichef Keir Starmer. Der Oppositionsführer rief weitere Kabinettsmitglieder auf, mit einem Rücktritt ein Zeichen gegen den "pathologischen Lügner" Johnson zu setzen.
Direkter Anlass für das Londoner Politbeben ist Johnsons Verhalten im jüngsten Skandal um sexuelle Belästigung durch ein führendes Fraktionsmitglied seiner Tory-Partei. Dass sich der Premierminister kurz vor den Rücktritten in der BBC entschuldigte und einräumte, die Berufung des Abgeordneten Chris Pincher zum sogenannten Vize-Whip sei ein Fehler gewesen, änderte nichts mehr an den Rücktritten - oder war für die beiden Minister sogar der letzte Tropfen.