Militäranalyst besucht die Front – und ist sich danach sicher: Ukraine-Offensive „war schlecht geplant“
Frankfurter Rundschau
Die Gegenoffensive der Ukraine kommt nur schleppend voran. Ein Experte erklärt, mit welchen Problemen die Militärführung in Kiew zu kämpfen hat.
Kiew - Die Gegenoffensive der Ukraine ist seit Anfang Juni in vollem Gange. Die Erfolge sind dabei zunächst allerdings gering ausgefallen. Die Fortschritte seien langsamer, „als wir wollen“, verlautete von der Ukraine zuletzt. Das liegt unter anderem an den Panzersperren an den russischen Verteidigungslinien. Als Ursachen werden auch logistische Probleme bei Waffenlieferungen als auch die starke Verminung der Gebiete genannt. Der Militäranalyst Franz-Stefan Gady ist da ein wenig anderer Ansicht. In einem Interview mit tagesschau.de erläuterte er seinen Standpunkt zur Offensive im Ukraine-Krieg. Ein Durchbruch ist Kiew zunächst nicht gelungen.
Die Ukraine-Offensive „geht langsam stetig voran, wahrscheinlich mit signifikanten Verlusten“, erklärte Gady seine Einschätzung nach einem Front-Besuch. Er ist Militärexperte und Research Fellow beim Institute for International Strategic Studies in London. Zu Beginn habe die Ukraine auf Angriffe von verbundenen Einheiten, also „Angriffe von Kampf- und Schützenpanzern“, gesetzt. Der Erfolg blieb allerdings aus. Mehr als Nadelstiche gegen Russlands Truppen konnte die Ukraine nicht setzen - anders als im Herbst 2022, als sie recht schnell besetzte Gebiete zurückerobern konnte.
Ursache hierfür war seiner Ansicht nach eine „mangelnde Koordination der vorstoßenden Einheiten“. Kurz: „Der Einsatz war schlecht geplant und organisiert.“ Von Bedeutung sei die Synchronisation einer solchen Offensive, erklärte er gegenüber tagesschau.de, und führte aus, dass das eine „knappe und möglichst simultane Anwendung verschiedener militärischer Ansätze“ umfasse. Das sei jedoch zu Beginn nicht geschehen.
Stattdessen hätten die Einsätze aufeinanderfolgend und mit großen Abständen stattgefunden. „Die Artillerie hat russische Stellungen beschossen, teilweise schlecht getroffen, und irgendwann später ist der Angriff erfolgt.“ Ein Vorteil für die Truppen von Kreml-Chef Wladimir Putin. Denn sie hätten dadurch gewusst, dass die Ukraine angreifen werde. Die Folge: Vorbereitungen und Verschieben der Einheiten. Nicht zuletzt hätten die verbundenen Einheiten „den Einsatz von russischen Kamikazedrohnen“ und schließlich auch der russischen Artillerie auf sich gezogen.
Als Hintergrund für den eher stockenden Verlauf der Offensive nannte Gady auch die Waffen. Er spielte dabei allerdings nicht auf zu wenige Lieferungen aus dem Westen an, sondern wählte einen anderen Erklärungsansatz. Die gelieferten Waffen seien nicht im Verbund eingesetzt worden. Hier könnten die einzelnen Systeme jedoch seine Fähigkeiten am besten entfalten. Ähnliches würde für die von der Ukraine geforderten Kampfflugzeuge gelten, fügte er im Interview mit tagesschau.de an.